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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger
Autoren: Will Berthold
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mehr so brutal wie einst und ein Menschenleben nicht mehr ganz so wertlos.
    Ein letztes Mal müssen im Herbst 1944 die Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen Häftlinge abstellen, die ihre Zebrakluft mit den Klamotten der SS-Sonderbrigade vertauschen. Der größte Teil dieser geschundenen Wracks besteht aus Menschen, die wegen ihrer Gesinnung jahrelang in Haft waren, aus Sozialisten, Bibelforschern, Katholiken, Kommunisten. Mit ihnen kommt ein anderer Zug und ein anderer Ton in Dirlewangers Laden. Und mit der neuen Ordnung beginnt der Zerfall, zuerst in Vonweghs Kompanie …
    Seit dem Tod Wulf-Dieter Brillmanns war Paul Vonwegh, der Mann ohne Nerven, Realist und Phantast zugleich, von seinem Ziel wie ein Magnet angezogen worden.
    Dirlewanger versuchte seinen Sträflingen einzuschärfen, daß sie von den Russen sofort gehängt würden. Die Angst vor der Gefangenschaft sollte sie zu verlässlichen Soldaten machen. Heimlich, zäh und verbissen arbeitete Paul Vonwegh dieser Meinung entgegen.
    In Ungarn erhielt er Gelegenheit, Dirlewangers These zu widerlegen. In seiner unmittelbaren Nähe, unterstützt von seiner unsichtbaren Regie, liefen zwei Kompanien geschlossen zu den Iwans über und wurden als Gefangene ordentlich behandelt, weil nun auch die Sowjets wußten, daß die Strafdivision nicht mehr aus lauter Verbrechern bestand. Sie wurden wie Soldaten gewertet und nicht wie Kriminelle, was sie mit ihren eigenen Stimmen über die Lautsprecher herüberriefen, sooft der Ostwind wehte.
    Der Bann war gebrochen. Hitlers armseligste Landser witterten eine Chance, den Untergang zu überleben. Sie schmorten nicht mehr im Eintopf, man begann zu unterscheiden zwischen den B-Soldaten, die triebhaft gemordet, und den anderen, die noch saubere Hände hatten.
    Jetzt steht die Kompanie Vonweghs an der Neiße, das Stammpersonal, darunter Dirlewanger selbst, im Raum von Groß-Berlin.
    Vonwegh ist in der Nähe von Guben dem Kommando Müller-Würzbachs unterstellt, der es inzwischen zum SS-Hauptsturmführer gebracht hat. Er hält eine oberflächlich ausgebaute Stellung, die die Russen überrennen können, wann sie wollen, ein paar Laufgräben, die sich wie Spinnenfäden aneinanderreihen.
    Die Unruhe, die den ganzen Tag durch den Haufen geisterte, war fast physisch spürbar. Eingeweiht in den Plan war höchstens jeder vierte, und selbst der wußte nicht, woher die Befehle eigentlich kamen.
    Vonwegh hatte aus seinen alten Leuten wieder eine Art Kompanietrupp gebildet, den Kordt, der Junge, führte.
    Endlich kommt der Abend. Die Nacht ist dunkel, am Himmel steht kein Stern. Auf der anderen Seite warten die Russen.
    Vonwegh schickt ihnen einen Voraustrupp aus zuverlässigen Politischen, die den genauen Fluchtweg für morgen mit den Iwans absprechen sollen.
    Ein paar Schatten lösen sich aus den Gräben, kriechen lautlos nach drüben. Gespannt horchen die anderen. Nichts rührt sich.
    Paul Vonwegh nickt, winkt Kirchwein, den Epileptiker, heran und sagt: »Melden Sie Hauptsturmführer Müller-Würzbach, daß fünfzehn B-Soldaten übergelaufen sind.« Sein Gesicht bleibt kalt, ausdruckslos.
    Morgen, denkt er, morgen kommt die Schlussabrechnung …
    Müller-Würzbach, der frühere Spieß, ist ein vom Lotterleben entnervter Landsknecht, aber daß etwas Ungeheuerliches auf ihn zukommt, spürt selbst er.
    Er hat sich mit Leuten umgeben, auf die er sich verlassen kann, die schon deswegen zu ihm stehen, weil sie nichts mehr zu verlieren haben: kriminelle B-Soldaten, die der Hauptsturmführer bis zuletzt mit Alkoholorgien und Plünderungsfreiheit bei der Hakenkreuzfahne hält.
    Er traut Vonwegh schon lange nicht mehr. Immer laufen Leute, die seinem Kommando unterstehen, über, und jedesmal hat der Kompaniechef ein hieb- und stichfestes Alibi zur Hand.
    Warum landen fast alle Politischen bei ihm?
    Wenn im Frontabschnitt, den Müller-Würzbach hält, nur einer die Nase aus dem Dreck steckt, wird sie ihm von russischen Scharfschützen weggeschossen. Vonweghs Leute aber sonnen sich bei schönem Wetter auf den Grabenrändern und scheren sich nicht um den Feind. An eine solche Häufung von merkwürdigen Zufällen glaubt Müller-Würzbach nicht.
    Als ihm jetzt Kirchwein die geschlossene Flucht von weiteren fünfzehn B-Soldaten meldet, entschließt sich der SS-Hauptsturmführer, Vonwegh zuvorzukommen.
    »Der meint, der kann uns reinlegen«, sagt er zu seinem Adjutanten. »Sehen Sie zu, daß Sie eine Verbindung zum Alten kriegen.«
    Es dauert Stunden,
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