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Brennpunkt Nahost

Brennpunkt Nahost

Titel: Brennpunkt Nahost
Autoren: Joerg Armbruster
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Neuralgische Zentren wie Aleppo, Homs oder wichtige Kreuzungen werden von UN-Blauhelmen gesichert, die mit einem robusten Mandat und entsprechenden Waffen ausgerüstet sind. Außerdem müssen die Paten der Kriegsparteien, Russland und die USA also, ihre Klientel, Saudi Arabien, Katar beziehungsweise Iran, verpflichten, keine Waffen oder Munition zu liefern, nötigenfalls durch ein robustes Mandat.
    Ausgenommen sind humanitäre Güter für die Bevölkerung auf beiden Seiten unter Kontrolle des Internationalen Roten Kreuzes. Das wäre Sache der Europäer. Die EU könnte zu einer humanitären Offensive antreten mit Hilfslieferungen von Medikamenten, Krankenhausausrüstung, Lebensmitteln, um den Syrern zu zeigen: »Wir haben euch nicht vergessen.«
    Mit am runden Tisch müssen auch Vertreter des Assad-Regimes sitzen. Das wird die Opposition schmerzen nach all den Verbrechen der Streitkräfte und der Shabiha-Milizen. Allerdings ist ihre Weste auch nicht porentief weiß. Dennoch: Die Oppositionsvertreter müssen über den eigenen Schatten springen, denn nur mit dem Regime Assad kann es heute noch eine nicht-militärische Lösung geben, in kleinen zähen Schritten, die niemanden unter den Aufständischen wirklich begeistern, dafür viele ungeduldig machen werden. Die Aufständischen haben viel geopfert und müssen am Ende wahrscheinlich noch einmal auf vieles verzichten. So wird es keinen Triumphmarsch durch Damaskus geben, genauso wenig werden sie ihre Rebellenfahne auf dem Palast von Baschar al-Assad heißen können. Ein solches Abkommen, sollte es je zustandekommen, wird jedem bitter schmecken.
    Vor allem der Assad-Clan wird alle seine Privilegien aufgeben müssen, die er bisher als für ihn selbstverständlich angesehen hatte. Auf seine politische und wirtschaftliche Vormachtstellung im Land, auf den politischen Alleinvertretungsanspruch, den dieser Clan seit 2011 sogar mit Waffengewalt durchzusetzen versucht. Auf die Vormachtstellung der Baathpartei. Die Alawiten werden auf Schlüsselstellungen in Geheimdienst und Armee verzichten müssen. Die Assads müssen sich mit der Vorstellung abfinden, dass ihre Machtbeteiligung in dem neuen Syrien möglicherweise nur noch bis zu den nächsten Wahlen dauern wird. Assad muss weg, ja, aber möglichst mit nicht-militärischen Mitteln. Zu Kriegsverbrecherprozessen gegen die Assads wird es fast zwangsläufig kommen. Das ist man der Bevölkerung spätestens nach den Giftgasangriffen vom 21. August 2013 schuldig. Allerdings müssen auch Kriegsverbrechen der Rebellen untersucht und gegebenenfalls geahndet werden.
    Mit am Tisch sitzen muss der Iran, der neben Russland wichtigste Unterstützer Assads, zumal der neue Präsident des Landes Rohani angedeutet hat, er könne sich ein Syrien ohne Assad durchaus vorstellen. Die USA haben sich bisher immer gegen diesen Teilnehmer gewehrt, so 2012 bei den Verhandlungen in Genf. Mit dieser Blockade aber haben sie eine Tür zu einem Waffenstillstand versperrt. Ein nicht beteiligter Iran kann jederzeit Absprachen torpedieren. Ohne das Kommando »Feuer einstellen!« aus Teheran hält die Hisbollah nicht still während einer Waffenruhe. Also – der Iran muss mit an den Tisch, andernfalls kann er jede Bemühung, die Kämpfe zu beenden, zerstören.
    Auch die Arabische Liga gehört natürlich dazu, allerdings braucht sie ein klares Mandat, auch für Saudi Arabien und Katar sprechen zu können. Die sunnitischen Machthaber der arabischen Welt müssen lernen, einen begrenzten Einfluss des Iran in ihrer Welt hinzunehmen, der Iran muss seinen Expansionsdrang zurücknehmen und sich Israel gegenüber mäßigen. Hier kommt sogar eine völlig nicht-syrische Frage mit ins Spiel, nämlich die der mutmaßlichen atomaren Aufrüstung des Mullah-Staates.
    Eine dauerhafte Lösung des Syrienkonflikts ist also komplex und kompliziert und kann hier nur angedeutet werden. Das Ziel der Gespräche ist, den Krieg zu beenden und die innersyrischen Konflikte auf einen Lösungsweg zu bringen, die da sind: echte Parteienbildung, freie Wahlen, Verfassung mit einem deutlichen Schutz der Minderheiten des Landes einschließlich der Alawiten. Das Land muss durch den Wiederaufbau seiner Wirtschaft schnell stabilisiert werden. Notwendig ist also eine Art Marshallplan, an dem sich auch der Westen beteiligen muss, wenn ihm tatsächlich etwas an einer Demokratisierung des Landes liegt, wie er immer wieder auf Gipfelkonferenzen oder bei Treffen der »Freunde Syriens« behauptet. Auch die
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