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Brennpunkt Nahost

Brennpunkt Nahost

Titel: Brennpunkt Nahost
Autoren: Joerg Armbruster
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Zivilisten, alle Assad-Gegner, bei weitem aber nicht alle begeisterte Unterstützer der Kämpfer, der Freien Syrischen Armee der Djihadisten schon gar nicht.
    Die syrische Opposition im Exil trägt einen großen Teil an Mitverantwortung am syrischen Desaster. Sie ist tief gespalten, zerstritten und hat sich nahezu handlungsunfähig gemacht. Einig ist sie sich nur in der monotonen Forderung: »Keine Lösung mit Assad!« Verstößt jemand gegen dieses Postulat, wird seine Loyalität in Frage gestellt. So ist es dem ersten Vorsitzenden der im November 2012 gegründeten Syrischen Nationalen Koalition, Musas al-Chatib, ergangen, der Anfang 2013 vorgeschlagen hatte, unter bestimmten Umständen mit dem syrischen Präsidenten über die Zukunft des Landes zu verhandeln. Der Aufschrei in den eigenen Reihen war laut. Aber nicht nur deswegen trat der ehemalige Prediger der Omayyadenmoschee schon nach viereinhalb Monaten von seinem Amt wieder zurück. Ihm war auch die internationale Unterstützung zu kümmerlich. Und schon 2011 hatte es vor der Arabischen Liga in Kairo Prügeleien gegeben zwischen Oppositionellen, die sich eine Lösung nur ohne Assad vorstellen konnten und solchen, die bereit waren, Assad in einer Übergangszeit zu akzeptieren.
    Der Politologe Yezid Sayigh hat die Effizienz der Syrischen Nationalen Koalition (SNK) für das Carnegie Middle East Center untersucht und im Mai 2013 Ergebnisse dazu veröffentlicht. Sie sind niederschmetternd.
    Seine Analyse zusammengefasst: Es fehlt der SNK an effektiver Führung, die in der Lage ist, die tiefe Spaltung der verschiedenen Gruppen zu überwinden. »Sie repräsentiert mehr als dass sie führt«, schreibt er. Die Koalition verfasse schöne Papiere über politischen Ethos oder die Ziele des Aufstandes, kümmere sich aber kaum um Strategien im Land selbst, um diese zu durchzusetzen: »Sie ist eine Exilorganisation. Ihr fehlt eine Basis in Syrien selber – das ist ein großes Hindernis.«
    In der Syrischen Nationalen Koalition sind zwar auch Oppositionsgruppen aus Syrien vertreten, aber deutlich weniger als in der Vorgängerorganisation, dem Syrischen Nationalrat. Im alten Syrischen Nationalrat hatten sie 35 Prozent der Sitze, in der neuen Nationalen Koalition nur noch um die zwanzig Prozent. Auch wir hatten auf unserer Reise immer wieder gehört, man wolle sich von denen im komfortablen Exil nichts sagen lassen. Besuche der Exilpolitiker in Syrien könnten abhelfen. Diskutieren, erklären, zuhören, um Vertrauen zu schaffen zwischen der fernen Welt der Exilopposition und der Leidenswelt der Aufständischen, die jeden Tag ihr Leben riskieren. Tatsächlich lassen sich die Exilpolitiker aber höchstens zu kurzen Fototerminen in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten blicken, berichtet Sayigh. Solche »touristischen Besuche« seien kaum geeignet, Vertrauen bei der Bevölkerung und den Kämpfern aufzubauen, um eine eigene politische Agenda durchzusetzen: »Die Einrichtung einer Übergangsregierung in diesen Gebieten kann zu einer fundamentalen Änderung der Situation führen. Aber nur wenn diese Übergangsregierung politisch ermächtigt ist, eigene Programme zu entwerfen und durchzusetzen und den zivilen und militärischen Einrichtungen, die im täglichen Kampf gegen Assad stehen, eine Richtung vorzugeben.«
    Eine solche Übergangsregierung mit Sitz in Syrien selbst müsste nicht nur den Kampf gegen Assad organisieren, sie müsste auch im Rebellengebiet selbst für Ordnung und ein Mindestmaß an Sicherheit für die Zivilisten sorgen. Im März bekannte der damalige Chef der Syrischen Nationalkoalition, Musas al-Khatib, »viele Gebiete brauchen Ordnung, dort sind Banden unterwegs, die stehlen, plündern und überfallen.«
    Und die Zeitung der syrischen Muslimbrüder ›Al Ahd‹ (Glaubenstreue) schrieb in ihrer Ausgabe vom 15. Februar 2013: »Das Chaos bei der Bewaffnung, die Streitereien zwischen den Brigaden, die Korruption in der Freien Syrischen Armee, schließlich die Abwesenheit jeglicher Institutionen, die Gewalt verhindern und Täter bestrafen könnten, erschüttert das Vertrauen der Bevölkerung in die Ziele der Revolutionäre.« (alles zitiert nach Yezid Sayigh, The Syria’s Opposition Leadership Problem; Mai 2013).
    Sayigh folgert daraus, diese Fehler der Opposition stärkten Assad, der Mitte 2013 auch wegen dieser Schwächen seiner Gegner von den schon Totgesagten wieder auferstanden ist.
Ein Gedankenspiel: Friede möglich?
    Nein! Ganz klar nein! Höchstens ein
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