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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Crossan
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können. Und sofort fange ich wieder an zu weinen.
    »Ich will nicht, dass du stirbst«, wimmere ich.
    »Um Himmels willen, Bea, wer sagt denn so was? Was ist denn los mit dir? Ich sterbe doch nicht. Ich bin müde, das ist alles.« Sie schlingt ihre knochigen Arme um mich, und als sie mich loslässt, bemerke ich meinen Vater am Esstisch. Vor ihm steht eine dampfende Schüssel, aber er war offenbar so erschöpft, dass er auf seinem Stuhl eingeschlafen ist – mit der Gabel im Essen.
    »Ich bin ausgeschieden in der Diskussionsrunde. Jetzt muss ich ein Jahr warten, bevor ich mich wieder bewerben kann.«
    »Oh, Bea.« Mom umarmt mich wieder und drückt mein Gesicht fest an ihre Schulter. Sie verkneift sich eine Bemerkung darüber, dass ich mir keine Sorgen machen soll, weil sie weiß, dass ich das so oder so tun werde. Und sie selbst wird sich auch Sorgen machen. Sie wird sich fragen, wie und wovon wir leben sollen, wenn ich nicht bald den Premium-Status erreiche.
    »Komm, lass uns spazieren gehen«, schlägt sie vor.
    Ja, einen Spaziergang, den können wir uns noch leisten.
    Wir laufen durch die verstopften Straßen von Zone 3 hinüber nach Zone 2, wo die Gebäude nicht mehr ganz so gedrängt stehen. Hier befinden sich die Schulen, Krankenhäuser, Ausbildungsstätten und Unterkünfte der Aufseher und Sicherheitskräfte. Hier könnte ich eines Tages wohnen, wenn ich mich etwa zur Krankenschwester ausbilden ließe. Aber hier will ich nicht leben. Ich will in Zone 1 leben, am Rand der Kuppel, im Licht. Ich will in einem geräumigen Haus leben, umgeben von einem großen Linoleumrasen. Doch so simpel es ist, nach Zone 1 zu gelangen   – man geht einfach schnurstracks in Richtung Licht, egal, wo man sich gerade befindet –, so schwierig ist es, in Zone 1 zu bleiben . Dauerhaft zu bleiben.
    Als wir das Wohngebiet der Premiums erreichen, spähen wir im Vorbeigehen durch massive Gartentore in die wenigen erleuchteten Häuser, deren Vorhänge nicht zugezogen sind, und erhaschen Blicke auf das, was wir nicht haben: Kinderreiche Familien mit ihrem pummeligen Nachwuchs sitzen um antike, aus dem Ödland hinübergerettete Esstische herum, auf denen brennende Kerzenleuchter stehen und große Teller mit richtigem Essen.
    Wenig später setzen wir uns auf eine Eisenbank der Aussichtsplattform, nur einen Block von Quinns Haus entfernt. Wir schauen auf die Luftrecyclinganlagen, dieüber gewaltige Gummischläuche mit der Kuppel verbunden sind und ein penetrantes Sirren von sich geben. Hinter den Recyclinganlagen erstreckt sich ein Streifen gerodetes Land, auf dem vereinzelte Schutthaufen liegen, und am Horizont zeichnen sich die Ruinen der ehemaligen Stadt ab. Ein Aufseher geht vorbei, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und mustert uns streng. Erst nachdem er sich davon überzeugt hat, dass wir uns vorschriftsgemäß verhalten, geht er weiter.
    »Haben die nichts Besseres zu tun, als uns zu beobachten?«, zischt Mom.
    »Ich muss mir einen Job suchen. Wir brauchen das Geld«, sage ich.
    »Nein, Bea. Ich will, dass du ein besseres Leben hast als ich. Und das bedeutet, dass du weiter zur Schule gehst. Dein Job heißt studieren.« Sie drückt meine Hand.
    Und während ich so neben Mom auf der Bank sitze und in die sauerstoffleere, sternenhelle Welt hinausstarre, überkommen mich heftige Zweifel, ob ich’s jemals schaffen werde, meine Familie aus Zone 3 herauszubekommen. Ich bin einzig und allein auf mein Gehirn angewiesen, und auch wenn ich mich bislang immer darauf verlassen konnte, sieht es nicht so aus, als würde es mir auf Dauer weiterhelfen.
    »Dein Großvater ist jedes Frühjahr dort drüben gewandert.« Mom deutet in die Ferne. »Aber ich, mein Gott, ich habe die Kuppel seit meiner Hochzeitsreise nicht mehr verlassen. Wir hatten ein ganzes Jahr dafürgespart und waren drei volle Tage draußen. Es war großartig. Aber irgendwie auch beängstigend. Wenn die Sonne untergeht, ist es stockdunkel – nirgendwo künstliches Licht.« Sie dreht sich um und macht eine Handbewegung in Richtung der Straßenlampen, die die Zone 1 in mildes Licht tauchen. »Wir haben am Tag geschlafen und sind bei Nacht gewandert, nur um den Anblick der Sterne zu genießen. Bis Marden sind wir gekommen. Nein, bis Maldon. Oh, ich kann mich gar nicht mehr an den Namen erinnern.« Sie zeigt vage in Richtung eines flachen Hügels. »Die hatten damals Boote, mit denen du aufs Wasser hinauskonntest.«
    »Ich wünschte, ich könnte im Ödland leben.«
    »Red dir
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