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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Crossan
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sind. Mein Vater dreht sich um und bedenkt den Typen mit einem Blick, der Glas schneiden könnte.
    »Na, was wohl? Wir behandeln ihn so, wie wir jeden anderen Terroristen auch behandeln würden. Und jetzt machen Sie, dass Sie auf Ihren verdammten Posten kommen!«, bellt er.
    Der Aufseher huscht zurück zu seinem Platz neben der Zellentür und beobachtet, wie mein Vater mich davonschleppt. Der Tunnel endet an einer Tür mit einem gelb-schwarzen Schild: Achtung – Zutritt nur mit Atemgerät .
    »Viel Glück da draußen«, wünscht mir mein Vater.
    »Da draußen?«
    »Wenn ich dich gleich rausstoße, musst du laut schreien. Und gegen die Tür trommeln. Bettele darum, wieder reingelassen zu werden. Ich weiß ja, dass du schauspielern kannst.«
    Auf seinem Gesicht zeichnet sich der Anflug eines Lächelns ab und ich kapiere endlich, dass er nur so tut, als würde er mich bestrafen. In Wirklichkeit will er mich retten. Ich beiße die Zähne zusammen, um nicht loszuheulen, denn ich weiß, dass ihn das nur nerven würde.
    »Ich habe dir draußen ein paar Sauerstoffflaschen hingestellt. Die sind voll«, flüstert er.
    »Sag Mama und Lennon und Keane Lebewohl. Und meinem neuen Bruder auch.«
    »Großes Schauspiel, selbst am Ende noch«, sagt er, entriegelt die Tür und drückt sie auf. Die Gummidichtung macht ein lautes, schmatzendes Geräusch und gleißendes Licht fällt in den Tunnel.
    »In einer anderen Welt wären wir vermutlich Freunde gewesen, Sohn.«
    Ich nicke und halte ihm meine Hand zum Abschied hin. Er schnieft einmal kurz und klopft mir auf die Schulter. Dann stößt er mich raus.

TEIL 5

SCHUTT UND ASCHE

ALINA
    Der Wellengang schleudert das wacklige alte Boot mit voller Wucht gegen die Kaimauer. Gut möglich, dass es ein Wrack ist, bevor wir überhaupt den Anker hochgezogen haben. Die Segel knattern im Wind und schlagen hin und her. Niemand sagt ein Wort. Wir alle schauen noch einmal zurück, um den Anblick des Landes, das wir verlassen, für immer in unser Gedächtnis einzubrennen. In der Ferne spiegelt sich Sonnenlicht in Fensterscheiben, lässt die Häuser funkeln wie kleine Kristalle. Mich zieht es zurück. Ich will nicht am Ufer dieses Flusses stehen, der sich mit seinem grauen Wasser durch die Landschaft windet, ich will wieder zu Hause sein.
    Maude und Bruce sitzen auf der Kaimauer, ihre Beine baumeln über dem eiskalten Wasser. Etliche andere Rebellen haben es ebenfalls bis hierher geschafft – eine zitternde, frierende Schar, die auf Anweisungen wartet, als wären Dorian, Silas und ich ihre neuen Anführer. Ich würde sie gern beruhigen, aber es gibt nicht viel, was ich sagen könnte. Wir segeln ins Ungewisse, wo wirvom Mitleid und der Hilfsbereitschaft Fremder abhängen werden.
    Noch immer schneit es und in ein paar Stunden wird das Land wieder komplett weiß sein. Im Osten sind mittlerweile keine Rauchsäulen mehr zu sehen. Der Hain ist tot, endgültig.
    Dorian legt mir eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht hätten wir uns doch ergeben sollen«, meint er.
    »Kommt, lasst uns aufbrechen«, sagt Silas mit einem kurzen Blick auf Dorian. »Unser Sauerstoffvorrat reicht nicht ewig.«
    Er hat recht. Wir sollten sehen, dass wir von hier wegkommen. Wir werden mit dem Boot so lange wie möglich den Fluss hinuntersegeln und dann zu Fuß bis nach Sequoia laufen. Dorian behauptet, er wisse, wo das liegt. Aber sicherheitshalber hat Silas eine Karte dabei.
    »Wir haben alles verloren.« Dorian blickt mich an. Seine Augen sind immer noch blutunterlaufen von dem ätzenden Schaum. Ich nicke. Ja, wir haben alles verloren. Und was haben wir gewonnen?
    »Wir leben«, erwidere ich.
    Na ja, zumindest gerade eben so.

BEA
    Der Hain existiert nicht mehr, er ist nur noch ein schwarzer, schaumbedeckter Schutthaufen, aus dem hier und da verschrumpelte Baumstämme herausragen. Die Trümmer qualmen immer noch. Ich habe zwei Tage gebraucht, um hierher zu gelangen. Als Wegweiser haben mir die U-Bahn-Stationen gedient, in deren eisigen Tunnels ich immer wieder lange Pausen gemacht und viel geschlafen habe. Ich hatte keine Angst. Wovor hätte ich Angst haben sollen? Auf dem ganzen Weg hierher bin ich keiner Menschenseele begegnet.
    Und jetzt stehe ich am Hain, dort, wo ich eigentlich Zuflucht zu finden hoffte. Und auch hier ist keine Menschenseele.
    Ich versuche gar nicht erst, die Tränen zurückzuhalten, sondern weine ungehemmt drauflos. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich jetzt hingehen soll.
    Die Sonne geht auf,
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