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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Crossan
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zuzustecken.
    »Nein, du musst werfen«, sage ich. »Du kannst besser zielen.« Die Kamera schwenkt unbeirrt weiter über das Gelände. »Los, mach schon!«
    »Und wenn ich wieder nicht treffe? Und am Ende noch jemanden damit umbringe?«
    Ohne den Kopf zu bewegen, senke ich den Blick und betrachte den Stein in Abels Hand. Seine Sorge ist nicht ganz unbegründet: Der Stein ist riesig und Abel wirft mit ziemlicher Wucht.
    »Dann triff halt«, sage ich nur.
    Die Aufseher sind inzwischen dabei, eine Krankentrage anzufordern. Wenn sich jetzt jemand nach uns umdreht und sieht, wie wir hier abseits rumstehen, fliegen wir auf, völlig klar. Abel muss werfen, und zwar sofort. Entweder er wirft oder wir machen uns schleunigst aus dem Staub.
    »Los, nun mach schon!«
    Der Stein saust durch die Luft und Sekunden später zersplittert die Linse der Kamera. Glas- und Plastikteile prasseln auf den Weg, und sofort kommen weitere Aufseher angerannt. Abel blickt mich kurz an, dann rennt er los und gesellt sich zu der rasch anwachsenden Menschenmenge.
    »Da hätte jemand bei draufgehen können!«, empört er sich. »Das ist ja die reinste Todesfalle hier!«
    Ich hole einmal tief Luft und schlüpfe unter dem Absperrseil hindurch. Gebückt sprinte ich in das Wäldchen hinein, springe über Wurzeln, weiche Baumstämmen aus. Wohl nur wenige Seconds können so schnell rennen wie ich. Die meisten von uns Zweitklassbürgern würden das vom Kreislauf her gar nicht packen. Aber aus dem Grund trainieren wir ja, jagen nachts durch die Gassen, treiben unseren Puls hoch und inhalieren dabei unerlaubte Mengen Sauerstoff.
    Nach einer Weile bleibe ich stehen und hole einen handgezeichneten Plan des Biosphärenreservats hervor. Die Stelle, an der die Ulme steht, ist mit einem X gekennzeichnet. Aber auch ohne Skizze wäre der Baum nicht zu verfehlen: Seine Äste sehen aus wie riesige ausgebreitete Flügel. Als wäre er bereit zum Abheben. Seine schiere Größe verschlägt mir den Atem, aber ich hab keine Zeit, zu gucken und zu staunen. Ich öffne meinen Rucksack, ziehe ein Seil hervor und werfe es über den untersten der dicken Äste. Dann krame ich eine Zange aus dem Rucksack, stecke sie in meine hintere Hosentasche und beginne mit dem Klettern. Als ich auf dem untersten Ast stehe, lasse ich das Seil los und benutze die Astgabelnund Verwachsungen als Halt für meine Hände und Füße. Ich verschwende keinen Gedanken daran, dass das hier schiefgehen könnte. Ich habe hart trainiert und mich fit gemacht für diese Aktion, und deshalb konzentriere ich mich ausschließlich auf die Stecklinge. Darauf, sie unbeschadet durchs Ödland zum Rebellenhain zu bringen.
    Schließlich hangele ich mich an einem Ast entlang, knipse ein paar Stecklinge ab und werfe sie zu Boden. Ich mache mich wieder an den Abstieg, obwohl ich liebend gerne hier oben bleiben und gemeinsam mit Abel die frische, echte Luft genießen würde. An einen starken Ulmenast geschmiegt. Oder noch lieber: an Abel. Aber das ist nicht erlaubt. »Keine Romanzen zwischen Rebellen!«, lautet einer von Petras Leitsprüchen. Liebesbeziehungen würden die Dinge nur unnötig verkomplizieren und die Entschlusskraft beeinträchtigen, sagt sie. Und sie hat recht. Als ich Abel für diese Mission ausgewählt habe, hab ich vollkommen ausgeblendet, dass er eigentlich noch gar nicht so weit ist. Ich hab nur die Chance gewittert, mit ihm zusammen trainieren zu können.
    Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Aufseher werden die Glassplitter der kaputten Kamera im Nu zusammengefegt haben und die restlichen Besucher werden zum Ausgang strömen. So schnell ich kann, hangele ich mich nach unten, sammle die Stecklinge ein, schnappe mir meinen Rucksack und renne mit hämmerndem Herzen zurück.
    Als ich mich der Stelle mit den Bäumen nähere, woder gelbe Weg vorbeiführt, ducke ich mich und krieche zentimeterweise weiter. Niemand achtet auf mich, als ich wenig später aufstehe und zu Abel hinüberschlendere. Der dreht sich lächelnd zu mir um und entfernt sich ein Stück von der Menschenmenge.
    Schließlich folgen wir dem allerletzten Touristengrüppchen durch eine Drehtür in den dunklen Tunnel, der das Biosphärenreservat mit der Kuppel verbindet. Sofort ändert sich die Beschaffenheit der Luft: Sie riecht nicht mehr echt und grün, sondern nach Plastik. Als wir das Ende des Tunnels erreichen, schlendern wir betont ruhig und entspannt weiter, sorgsam darauf bedacht, das
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