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Bravo, liebes Hausgespenst!

Bravo, liebes Hausgespenst!

Titel: Bravo, liebes Hausgespenst!
Autoren: Marie Louise Fischer
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glaubst, ist das Töpfern eben doch nicht!“
    Norbert versuchte es noch einmal. Er formte die Kugel zu einer ziemlich dicken runden Fläche und preßte beide Hände darauf. „Wollen doch mal sehen, wer s-tärker ist!“ rief er, und sein st war spitzer denn je.
    Erst nach einer ganzen Weile zog er die Hände zurück und — der Ton rollte sich auf und wurde wieder zur Kugel. Norbert hieb mit der geballten Faust darauf. Eine breite Delle entstand, die sich aber sofort wieder glättete. Norbert bohrte mit dem Zeigefinger ein tiefes Loch in die Kugel. Auch das füllte sich sofort wieder auf.
    „Ich wußte gar nicht, daß Ton so elas-tisch ist“, sagte er erstaunt.
    „Ja, es ist angenehm, mit Ton zu arbeiten“, bestätigte Frau Schmidt arglos.
    Nachdenklich starrte Norbert auf die glatte, wohlgerundete Tonkugel. „Sie haben vorhin gesagt, daß ein bes-timmtes Material eine bes-timmte Form verlangt... das ist sicher bei meinem Tonklumpen so.“
    Frau Schmidt lachte. „Aus Ton kann man alles machen... wenn man es kann.“
    „Wenn man es kann!“ wiederholte Norbert. „Ich glaube, mir liegen die Köpfe doch mehr. Ich werde mal versuchen, ein hübsches Gesicht zu kneten, ja?“
    „Glaubst du, daß deine Mutter Freude damit haben wird?“
    „Aber ja! Hauptsache, es ist selbst gemacht. Sie kann es sich auf das Klavier stellen. Aber hübsch muß es natürlich schon sein. Ob ich mal versuchen soll, Monika nachzubilden?“
    „Du traust dich gleich an das Allerschwerste! Dazu müßte sie dir doch wenigstens sitzen.“
    „Ach wo. Ich weiß genau, wie sie aussieht. Sie hat eine leicht gewölbte Stirn, eine gerade kurze Nase, einen geschwungenen Mund, ein festes Kinn... doch, ich glaube, das kann ich!“
    Hoffnungsvoll machte Norbert sich an die Arbeit. Aber schon bei der Stirn fingen die Schwierigkeiten an. Sie wollte nicht so sanft gewölbt werden, wie er sie sich vorgestellt hatte. „Ich krieg’s nicht hin!“ jammerte er.
    „Nimm die Spachtel!“ riet Frau Schmidt.
    „Vielleicht geht es besser, wenn ich mit dem Haar anfange!“ Norbert zog über die Kugel eine gerade Furche, die den Mittelscheitel darstellen sollte; die Furche blieb. „Ich glaube, jetzt wird es!“ rief er begeistert und zog nach links und rechts von dem gedachten Scheitel aus ganz zarte Striche, die die Haare sein sollten. „Ich mach’s so, wie sie das Haar in Gummis zusammengebunden trägt. Das ist sicher leichter als offenes Haar.“ Eifrig, die Zunge zwischen den Zähnen, war Norbert bei der Arbeit. Erst als er glaubte, es geschafft zu haben, hielt er den begonnenen Kopf auf Armeslänge von sich und — mußte entdecken, daß etwas ganz anderes daraus geworden war, als er gewollt hatte: das angedeutete Gesicht hatte einen niedrigen Haaransatz, der tief in die gerade Stirn reichte.
    „Total daneben“, sagte er enttäuscht, „so ’ne Gemeinheit. Wie kann es denn passieren, daß aus dem Ton was ganz anderes wird, als man gewollt hat?“
    „Ein Kopf ist eben zu schwierig, das habe ich doch gleich gesagt, und noch dazu ein Kopf, der Porträt-Ähnlichkeit haben soll!“
    Norbert seufzte tief und formte sein mißratenes Kunstwerk erneut zur Kugel. Dann formte er eine Andeutung von einem Hals und darüber ein Kinn. Es sollte rund und fest werden, aber so sehr er sich auch mühte, es wurde immer wieder spitz. Es nutzte nichts, es plattzudrücken. Unter seinen Händen wurde es gleich wieder spitz.
    „Als wenn der Ton lebendig wäre!“
    „Ist er aber nicht! Versuch etwas anderes, Norbert!“
    „Nein, jetzt will ich überhaupt nicht mehr!“ Wütend warf Norbert den Tonklumpen auf den Tisch.
    „Wenn du keine Lust mehr hast, dann tu ihn wenigstens in den Eimer zurück, damit er feucht bleibt!“ sagte Frau Schmidt ungerührt.
    Norbert wollte den Klumpen, der durch den Aufprall die Form verändert hatte, schon wieder aufheben. Da zuckte er zurück. Er sah, wie er sich wieder zur Kugel formte. Die Sache wurde ihm unheimlich, aber er mochte es nicht zugeben.
    „Wann kommt Monika denn endlich“, sagte er, ohne den Blick von der Kugel zu lassen, „sie müßte doch schon längst ausgeschlafen haben!“
    Dann glaubte er verrückt zu werden, denn er sah, wie die Kugel sich vor seinen Augen wie von unsichtbaren Händen zu einem Gesicht formte: einem Gesicht mit spitzen Ohren, spitzem Kinn, gebogener Nase, das jetzt auch noch den Mund öffnete und ihm die Zunge entgegenstreckte.

    Norbert war einen Schritt zurückgewichen und wies mit
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