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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
Autoren: Berte Bratt
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benutze.“
    „Ja, aber wäre es nicht ein netter Stoff für ein Jungmädchenbuch?“
    „Schon möglich. Schreibe du doch selbst.“
    „Ich, ein Buch schreiben?“
    „Warum nicht?“
    „Glaubst du denn, daß ich das könnte, Tante Edda?“
    „Ich weiß es nicht, mein Freundchen. Du schreibst gute und lustige Briefe, aber ob es wirklich dazu reicht, Bücher zu schreiben, kann ich nicht sagen. Du kannst ja auf jeden Fall einmal deine Erlebnisse in Frankreich niederschreiben.“
    „Ich - ein Buch über Paris und.“
    „Nicht über Paris. Darüber sind Bücher genug geschrieben. Über dein eigenes Schicksal in Paris! Denn so wie du Paris erlebt hast, erlebt es nicht jeder!“
    „Und meinst du, daß ein Buch daraus werden könnte?“
    „Möglich! Wird es ein Buch, ist es gut; wenn nicht, wird es ein Tagebuch, das du in fünfzig Jahren deinen Enkelkindern vorlesen kannst.“
    „Vorlesen als Unterhaltung in der Passagierkabine einer Mondrakete“, lachte ich. „Ich bin sicher, daß meine Enkelkinder in den Sommerferien auf den Mond fliegen werden.“
    „Ach, die Armen“, sagte Tante Edda. „Wo es auf der guten alten Erde so herrlich ist.“
    Seit diesem Gespräch sind ein Jahr und vier Monate vergangen. Ich sitze in meinem Zimmer zu Hause auf dem Seehundsrücken. An der Wand hängen mein Clochard und Petit Trianon, auf dem Schreibtisch liegt Pierres letzter Brief, der mit den anderen zusammengeheftet werden soll, und vor mir ein großer Stoß beschriebener Papierbögen.
    Bald ist Weihnachten. Auf dem Seehundsrücken ist es jetzt kalt; es ist für uns die härteste Jahreszeit. Aber hier drinnen im Haus ist es warm und gemütlich, Omi bäckt ihre Friesenkekse, und ich selber habe eine Unmenge Pfannkuchen gebacken.
    Morgen kommt Pierre aus Bremen.
    Er ist oft bei uns gewesen, fühlt sich ganz wie zu Hause, ist Freund mit allen, von Omi bis zu Columbine.
    Columbine hat übrigens inzwischen Schande über ihre aritokratische Familie gebracht. Sie hat ihre Augen auf den scheckigen Kater beim Bäcker geworfen, und jetzt haben wir den Skandal. Sie liegt in ihrem Korb, voller Mutterstolz, obwohl ihre beiden Jungen gefleckt und scheckig sind und ganz und gar nicht siamesisch.
    Aber zurück zu Pierre und uns.
    Damals bei der Heimkehr aus Paris sagte Vati zu mir: „Ich glaube, dir ist es ganz ernst mit Pierre, Britta.“
    „Ja“, sagte ich.
    „Aber liebes Herz, du bist so jung und Pierre auch; es kann von Verlobung noch keine Rede sein!“
    „Natürlich“, sagte ich. „Wie lange meinst du, daß wir warten müssen?“
    „Aber Kind, du mußt doch erst erwachsen sein!“
    „Wie alt war Mutti, als du dich mit ihr verlobtest?“
    „Äh - achtzehn“, sagte Vati.
    „Achtzehn würde also angehen?“
    „Na ja, zur Not, aber du bist erst sechzehn dreiviertel!“
    „Ich werde warten“, sagte ich.
    Und ich habe gewartet, und die Zeit gut ausgenutzt, meine ich selbst. Omi kann sich nicht mehr über mich beklagen. Ich habe nicht nur Kochen gelernt. Ich kann auch ein Oberhemd bügeln, feine Wollsachen waschen, ich kann Gardinen aufstecken und Spitzen stärken.
    Außerdem habe ich einen Kursus in Kinderpflege gemacht - und wie gern gemacht! Oft dachte ich, wenn ich so ein kleines Bündelchen in der Badewanne hatte: Ob ich selbst in wenigen Jahren solch ein kleines Wesen haben werde - mit Pierres braunen Augen, mit Vatis strahlender Laune, mit Muttis Herzensgüte und mit - nun ja, vielleicht gibt es auch von mir irgend etwas, was ich meinem Kinde vererben könnte.
    Ich weiß, daß ich mit meinen Kindern französisch sprechen werde. Ich kann es. Denn das habe ich vor allem in diesem Jahr gelernt.
    Unten in der Küche klirrt es. Ein guter Duft von Bäckereien und Tannen erfüllt das Haus, aus der Stube erklingt leise Radiomusik. Columbine schnurrt friedlich und zufrieden in ihrem Körbchen.
    Ich sitze und denke an meinen lieben alten Clochard. Ob er wohl noch lebt? Wie schade, daß ich ihn weder nach Namen noch Adresse gefragt habe; ach, Unsinn, eine Adresse hat er nicht. Seine Adresse ist Paris, das Seineufer, die eine oder die andere Metrostation, ein Park, in dem er sitzt und Blumen, Statuen und die Juwelen der Touristen besitzt.
    Aber jetzt in der Winterkälte?
    Was besitzt er jetzt? Friert er sich durch den Winter, oder hat er ein warmes Schlupfloch gefunden? Die Metro natürlich. Er lebt und wohnt auf einer Bank, er hört die Züge kommen und davonfahren, jede anderthalb Minuten, er lebt zwischen dahintrabenden Füßen
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