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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
Autoren: Berte Bratt
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Sausen in der Luft, und da saßen fünf Tauben auf meinem Schoß, fünfzig um uns auf der Bank, und der Himmel weiß, wie viele auf meinen Schultern. Vati hatte das Skizzenbuch und den Bleistift vor sich, ehe ich bis drei zählen konnte. Er zeichnete, daß es nur so zischte, und die Tauben ließen sich das Essen gut schmecken. Ich stopfte den Aufschnitt in meinen eigenen Mund, aber alles Brot wanderte in dieses Heer von aufdringlichen Viechern!
    Es war mit das Schönste, das ich jemals erlebt hatte. Nie hatte ich so zahme Tauben gesehen. Da kam eine und steckte den Kopf in meine Handtasche, eine hatte den Fuß zwischen meinem Hals und dem Mantelkragen, es kitzelte im Nacken - eine schlug mit den Flügeln gerade vor meiner Nase, so daß ich niesen mußte.
    Vati zeichnete und zeichnete, und ein Bissen bâtard nach dem andern verschwand. Nach ein paar Minuten saß ich mit leerem Frühstückspapier und hungrigem Magen da.
    Künftig werde ich mindestens zwei Pfund Erbsen mitnehmen, wenn ich in den Tuilerien-Garten ging. War Vati dann beschäftigt, konnte ich mich mit meinen Tauben und Erbsen großartig unterhalten.
    Vati war unermüdlich. Er hatte Kräfte wie ein Europameister im Tausend-Meter-Lauf. Jetzt wollte er, daß wir zu Fuß nach Notre-Dame gingen.
    Ich weiß, daß wir eine Brücke überquerten und daß Vati sagte: „Dies ist ein historischer Augenblick, Britta! Jetzt überquerst du die Seine.“ Aber ich war so müde und von dem Lärm so angestrengt, daß ich mich tatsächlich nicht genau an die Eindrücke der nächsten Stunden erinnern kann. Ich weiß schon, daß Notre-Dame einen gewaltigen Eindruck machte, aber ich konnte keine Einzelheiten erfassen. Ich war nur müde, und meine Füße schmerzten.
    „Du bist blaß“, sagte Vati, als wir wieder in den Sonnenschein herauskamen. „Hungrig bist du sicher auch; komm, wir gehen irgendwo essen!“
    „Keine Rede“, sagte ich. „Ich habe heute für zweiunddreißig Francs eingekauft. Wir haben Essen zu Hause. Höchstens eine Tasse Kaffee gibt es und einen Kuchen.“
    Wir plumpsten in ein spaßiges und eigenartiges Café ganz in der Nähe von Notre-Dame. In der einen Ecke brannte ein offenes Feuer, und an kleinen Tischen saßen bärtige junge Männer und junge Mädchen mit schwarzen Ponies, weiten Pullis und engen Hosen. Das Café hieß irgend was mit „des Arts“. Etwas mit Kunst war es also. Wir bestellten - das heißt: Vati stotterte etwas zusammen, was seinen alten Lehrer bestimmt zur Verzweiflung gebracht hätte. Aber jedenfalls wurde er soweit verstanden, daß wir Kaffee und zwei Stück Torte bekamen, die übrigens ausgesprochen schlecht waren.
    Aber der Kaffee stärkte meine Lebensgeister. Ich zog meine Schuhe unter dem Tisch aus und fand allmählich meine gute Laune wieder. Leider hielt sie nur solange an, bis die Rechnung kam. Die verursachte Vati einen Schock.
    „Um Himmels willen“, stammelte er. „Vier Francs das Stück von dieser lausigen Torte. Und drei Francs für das Fingerhütchen Kaffee!“
    Es wurde ein teurer Kaffee für uns, aber trotzdem lohnte es sich, denn diese unverschämte Rechnung öffnete meinem leichtsinnigen Vater die Augen dafür, daß es in Paris teuer war, auswärts zu essen. Ich glaube tatsächlich, daß es ihn zum Nachdenken anregte, und das war nötig. Ich geriet fast in Panik, wenn ich an unser Geld dachte und daran, wie lange es reichen sollte, und daß ich am selben Tag noch Vati um mehr Haushaltsgeld bitten mußte.
    In diesem exklusiven Café vor dem Kamin fanden wir es nicht länger gemütlich. Vati zahlte. Nach der Miene der Kellnerin zu beurteilen, hatte er anscheinend die obligatorischen zehn Prozent Trinkgeld nach unten abgerundet.
    „Kannst du noch, Britta?“ fragte Vati, als wir wieder draußen auf der Straße standen.
    „Du etwa?“
    „Ich? Stundenlang! Übrigens soll ich ja Latour treffen, in-“ Vati sah auf die Uhr. „Britta, ich muß ja sausen, das heißt, ich muß mit der Metro fahren, kommst du mit?“
    „Nein, ich glaube, ich trolle mich nach Hause.“
    „Schaffst du das allein?“
    „Na klar, ich verstehe doch das ganze Metrosystem, und ich bleibe ja bis St-Lazare die ganze Zeit unter der Erde. Wann kommst du heim?“
    „Ich ahne es nicht. Aber sei um mich nicht besorgt, mein Herz, ich verspreche dir, nie mehr über die Straße zu gehen, wenn das Licht rot ist und ,attendez’ steht.“
    „O. K. also brauchen wir nur noch eine Metro-Station zu finden.“
    Metro-Stationen gibt es überall in
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