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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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ihren Rucksäcken Pflanzen aus den Alpen. Ich warf das Moos aus dem Fenster und dachte vorläufig nicht mehr an das Ehepaar von Nummer fünf.
    Ein paar Tage verstrichen. Ich fühlte mich etwas einsam. Tony fehlte mir wahrhaftig. Alle diese Sommer hindurch hatten wir wie Pech und Schwefel zusammengehalten, und jetzt bekam ich weder ihn noch Corinne zu Gesicht. Dann traf ich seine Mutter in einem Laden. Sie ergriff meine beiden Hände und begrüßte mich herzlicher als je zuvor.
    „Bernadette, wie schön, dich wiederzusehen! Du hast uns so sehr gefehlt!“
    Ich beglückwünschte sie zur Schwiegertochter, und da entrang sich ihr ein tiefer Seufzer.
    „Ach ja, Bernadette, ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Corinne ist ein reizendes Mädchen, aber. aber.“
    „Da gibt es doch kein ,aber’, Tante Rachele“, erwiderte ich.
    „Weißt du, um ganz ehrlich zu sein, wir hatten immer gehofft, du würdest es sein, die.“
    Seltsam, wie alle das gehofft haben, dachte ich. „Aber ich bitte dich, Tante Rachele, Tony und ich waren doch niemals etwas anderes als gute Kameraden. Wo treiben sich die beiden eigentlich herum? Man sieht sie nie!“
    „Tony muß doch arbeiten. Er muß seinen Vater vertreten; der ist gestern abgereist. - Ich finde, es war von Tony recht unbedacht, Corinne gerade jetzt mitzubringen. Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem Mädchen anfangen soll. Sie sitzt im Garten und malt fast den ganzen Tag.“
    „Ist sie denn Malerin?“
    „Auf jeden Fall glaubt sie, es zu werden. Sie haben einander im Louvre getroffen, wo sie beide einen Delacroix kopierten.“ Ich
    lachte auf.
    „Genauso habe ich es mir gedacht, Tante Rachele! Tony hat sicher in Paris das Maien eifriger studiert als die Kochkunst!“
    „Der arme Kerl, er ist erblich belastet“, seufzte Tante Rachele mit einem leichten Lächeln. „Sonst ist Tony ein guter Junge und hat auch Pflichtgefühl, das muß ich ihm lassen. Er schmeißt jetzt den ganzen Laden, und unsere Gäste mögen ihn gern. Aber wie gesagt, Corinne...“
    „Kann ich vielleicht etwas für sie tun, meinst du? Ich mag sie gern und habe soviel Zeit!“
    „Es wäre großartig, Bernadette, wenn du dich ihrer etwas annehmen könntest. Ich habe alle Hände voll zu tun, wie du weißt.“ Ich begleitete Tante Rachele nach Hause, und Corinne begrüßte mich mit ihrem hübschen Lächeln.
    Ja, es stimmte, daß sie viel allein sei. Aber wenn ihr zukünftiger Schwiegervater in vierzehn Tagen wiederkäme, würde es sicherlich anders.
    „Du mußt dich in Villeverte ein bißchen umsehen“, sagte ich. „Wollen wir zusammen Spazierengehen? Ich bin doch auch allein. Wenn du also Lust hast.“ Und ob sie wollte!
    Villeverte ist es wert, daß man es kennenlernt. Es ist ein hübsches Dorf. Wir haben zahllose Hotels, sehr moderne, elegante Hotels, die dicht beieinanderliegen und Villevertes Zentrum bilden. Wir haben eine Post, einen Arzt und einen Zahnarzt, eine Apotheke und sehr viele Geschäfte.
    Mehr zum Ortsrand hin liegen die kleinen, alten, verwitterten Häuser, die erste Ansiedlung von Villeverte. Vor den Fenstern hängen rote und grüne Blumenkästen. Durch die engen kleinen Gassen werden die Kühe getrieben. Es gibt auch gutgepflegte Gärten mit Mangold und Blumenkohl, Mohrrüben und Salat, und diese Gemüse haben dort ein Aroma, wie man es in den Niederungen niemals findet.
    Corinne war Feuer und Flamme.
    „Nein, Bernadette, wie schön es hier ist! Was für herrliche Motive!“
    „Ach richtig, du willst ja malen, erzählte Tante Rachele.“
    „Ich versuche es wenigstens. Interessierst du dich fürs Malen?“
    „Und ob! Ich bekomme zwar selber keine zwei Striche zusammen, aber die Malerei interessiert mich sehr. Wie war’s, wollen wir die Seilbahn zur Cabane d’Argent nehmen? Dort könnten wir Kaffee trinken und haben das ganze Tal vor uns liegen. Dann siehst du Villeverte auch einmal von oben.“
    „Ja, nur zu gern.“ Es ist eine rührende alte Bahn, die auf dieser Strecke fährt. Solange sie in Betrieb ist, bleiben die Kabinen niemals stehen. Wenn sie unten in Villeverte eintreffen, fahren sie einen Bogen aus. Dort steht Maro, der Sohn des Maultiertreibers Franz, und hilft den Passagieren beim Aussteigen. Die nächsten, die hinauffahren wollen, müssen in aller Eile einsteigen. - Und so rumpelt man nach oben. Die Kabinen schweben über Baumwipfel hinweg; dann kommt eine Geröllhalde, wo die Murmeltiere unter uns umherspringen und pfeifen; von da ab geht es an einem
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