Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
male zwischen Puder und Lippenstiften“, meinte sie lächelnd.
Kein Wunder, daß sie perlmuttfarbene Nägel hatte und vor Gepflegtheit strahlte, dachte ich. Sie muß wohl für ihren Beruf Reklame machen, genau wie ich für meinen. Von den Bergen kamen Leute herunter, die bereits eine lange Wanderung hinter sich hatten und nun mit der Bahn abfahren wollten. Ich erklärte Corinne, daß die Silberhütte der Ausgangspunkt für die Besteigung der Aiguille d’Argent sei. Hier seilten sie sich an und brachen zu einem anstrengenden Marsch von drei Stunden auf. Der Anstieg zum Gipfel war steil.
„Bist du selbst schon einmal oben gewesen?“ fragte Corinne.
„O ja, sogar oft. Mein Onkel ist nämlich Bergführer.“ Corinnes Blicke betrachteten sehnsuchtsvoll das Gelände.
„Wenn ich doch auch einmal hinkäme!“
„Selbstverständlich kannst du das. Du mußt dich nur zuerst auf kürzeren Touren darauf trainieren. Dann kannst du dich von Tony führen lassen; er kennt die Berge hier wie seine eigene Tasche.“
Corinne schwieg eine Weile. Sie hatte irgend etwas auf dem Herzen.
„Du. du kennst doch Tony so gut. und seine Eltern. Sie sind. nicht wahr, sie sind sehr nett, die Eltern?“
„Ja, das sind sie. Oder hast du etwa andere Erfahrungen gemacht?“
„Nein. Aber ich glaube, es war vielleicht dumm von Tony, daß er sie mit unserer Verlobung förmlich überfallen hat. Er hat mich sozusagen als Schwiegertochter auf einem Tablett serviert, ohne daß sie etwas ahnten.“ Ich mußte lächeln.
„Das ist ganz Tony. Er war schon immer so impulsiv.“
„Ja“, meinte Corinne. Anschließend wollte sie noch etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders.
Nicht nur Tony ist impulsiv. Ich bin es auch. Und nun legte ich meine Hand auf ihre.
„Paß auf, Corinne, du kennst mich nicht, aber du weißt, daß Tony und ich seit vielen Jahren gute Kameraden sind. Ich kenne ihn und seine Familie, und ich kenne auch Villeverte und alle Menschen hier. Wenn ich dir in irgend etwas behilflich sein kann, tue ich es nur zu gern. Das habe ich dir sagen wollen - und noch eins: Du kannst dich auf mich verlassen. Mein Wort darauf.“
Corinne lächelte ihr strahlendes, warmes Lächeln und drückte mir die Hand.
„Ich verlasse mich auf dich, Bernadette. Tony hat mir viel von dir erzählt, und er hat dich immer als guten Kameraden gerühmt. Die Sache ist eben die, daß ich mich hier fremd fühle. Ich glaube, es war von Tony sehr unbedacht, darauf zu bestehen, daß ich in diesem Sommer mit ihm her fuhr, so völlig unangemeldet - außerdem ausgerechnet in dem Augenblick, in dem alles auf dem Kopf stand, weil der Vater wegreisen und seine ganze Arbeit Tony überlassen wollte. Es sind keine großen Probleme, mit denen ich zu kämpfen habe, verstehst du, es läuft darauf hinaus, daß ich das Gefühl habe, überflüssig zu sein. Als ob ich meiner Schwiegermutter nur im Weg bin.“
„Aber liebe Corinne, dann sieh doch nur zu, mit ihr Kontakt zu bekommen! Tante Rachele ist ein gütiger Mensch. Und sie liebt natürlich Tony über alles. Wenn sie einmal etwas Zeit hat, bitte sie doch, dir von Tony zu erzählen, wie er als Kind war. Da gibt es genug zu erzählen, und sie wird nichts lieber tun. Biete ihr außerdem deine Hilfe an. Bestimmt hat sie viel um die Ohren, solange Tonys Vater nicht da ist. Hilf ihr mit. ich weiß zwar nicht, was sie im allgemeinen tut - aber hilf ihr beim Wäschezählen oder beim Stopfen der Handtücher oder bei der Auswahl der Menüs oder in der Buchführung - ach nein, die Bücher führt wohl Tony selber.“ Corinne sah nachdenklich drein.
„Ja, wenn ich es nur richtig mache. Ich habe eigentlich ein wenig Angst, verstehst du.“
„Du mußt eben von Tony lernen, etwas impulsiv zu sein!“ meinte ich. „Du mußt deine künftige Schwiegermutter überrumpeln; du mußt zu ihr sagen: Jetzt werde ich die Handtücher zählen, Schwiegermutter’, oder ,Laß mich doch die Gläser nachschauen’, und wenn es etwas gibt, worin du besonders tüchtig bist außer dem Malen und dem Verkaufen von Parfüms und Lippenstiften, so zeig es ihr! Was kannst du denn sonst noch?“ Corinne schmunzelte.
„Ich habe eine besondere Begabung dafür, Geld zu sparen! Weißt du, als mein Vater starb, hatten wir es schwer. Er hatte gerade mit dem Geschäft angefangen und hatte viele Verpflichtungen - da starb er. Meine Mutter mußte alles übernehmen, und ich half ihr, so gut ich konnte.
Wir mußten doch anständig gekleidet sein, und
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