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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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Wagen war dafür kein Platz mehr.
    „Ich werde den Wagen schieben, Bernadette - oder wart einmal, das Paket ist bestimmt zu schwer; das nehme ich. Für dich ist es leichter, den Wagen zu schieben.“
    Dazu war ich also gut genug: für Tony und seine Geliebte den Gepäckträger zu spielen!
    Doch da legte sich eine schmale kleine Hand neben meine auf den Handgriff. „Ich werde Ihnen helfen, Bernadette - ich darf Sie doch Bernadette nennen, nicht wahr?“
    Ich war ganz benommen von ihrer Stimme. Die war sanft und warm, leise und melodisch. Und das Lächeln, mit dem sie mich ansah, war freundlich und herzlich.
    „Selbstverständlich, Corinne.“
    „Ich weiß, was für gute Freunde Sie und Tony waren, er hat mir viel von Ihnen erzählt. Ich möchte mich auch mit Ihnen anfreunden.“
    So zogen wir nebeneinander los und schoben den Wagen, während Tony lächelnd ein paar Schritte vor uns herging.
    „Natürlich müssen wir gute Freunde werden“, antwortete ich. „Es ist so, als ob ich - wie soll ich sagen - als ob ich eine. eine ach Tony, was heißt Schwägerin auf französisch?“
    Ich komme zwar mit Französisch ganz gut zurecht; aber es gibt doch Wörter, die ich nicht kenne, weil ich sie niemals gebraucht habe.
    „Bellesceur“, half Tony ein.
    „Ich beneide Sie darum, so viele Sprachen zu können“, meinte Corinne. „Wir Franzosen sind in dieser Hinsicht furchtbar. Sie sind Norwegerin, wie mir Tony erzählte?“ Wir plauderten weiter, und ich betrachtete sie verstohlen. Sie war hübsch, aber sie war mehr als das. Sie hatte ein Gesicht, das - ja, so muß ich wohl sagen - beseelt war. Sie strahlte Wärme und Güte aus. Plötzlich hatte ich keine Lust mehr, ihr die Augen auszukratzen. Im Gegenteil. Ich wünschte
    heftig, mich mit ihr anzufreunden.
    Wir hielten vor dem Seiteneingang des Hotels „Chamois“ -Tonys Elternhaus. Die Tür wurde aufgerissen, und Tonys Mutter stand mit ausgebreiteten Armen da. Ich fühlte mich überflüssig, nickte nur zum Abschied und trollte mich mit meinem Paket auf dem Wagen weiter.
    So standen also die Dinge. Tony war verlobt, und ich hatte meinen getreuen Gefolgsmann und Ferienkameraden verloren.
    Aber bereitete mir das Kummer?
    Nein, im Grunde genommen nicht. Im ersten Augenblick eine Enttäuschung, gewiß. Aber Corinne war wirklich süß, und ich freute mich darauf, sie näher kennenzulernen.
    Was für einen Unsinn hatte ich da vorher in mir zusammengebraut? Wäre ich wirklich in Tony verliebt gewesen, hätte ich es doch schon früher entdecken müssen.
    Erst sehr viel später begriff ich, wie es eigentlich war.
    „Ich soll dich von Tony grüßen“, sagte ich, als ich mit dem Paket bei Tante Cosima eintrat. „Er hat sich verlobt!“
    „Was sagst du da?“ rief Tante Cosima. „Und ich hatte immer geglaubt.“
    Da gelang es mir doch tatsächlich zu lachen.
    „Da hast du dich eben geirrt, Tante Cosima! Du glaubst doch wohl nicht, daß man sich in einen Jungen verlieben kann, der einem weiße Mäuse ins Kleid steckt. Ich habe seine Verlobte kennengelernt. Sie ist bezaubernd.“
    Ich weiß nicht, wie sich dieses Gespräch noch weiter entwickelt hätte, denn wir wurden unterbrochen. Zwei von Tante Cosimas Gästen gingen am Küchenfenster vorbei und nickten uns durch die Scheiben zu.
    „Seltsame Leute, dieses Ehepaar“, sagte Tante Cosima. „Sieh dir nur die Rucksacke an! Kannst du verstehen, daß man so viel auf eine Tagestour mitschleppt?“
    Die Rucksäcke schienen geradezu aus den Nähten zu platzen.
    „Vielleicht sind sie nur voller Strickjacken und Strümpfen zum Wechseln“, meinte ich. „Besonders schwer sehen sie eigentlich nicht aus.“
    „Aber so bepackt ziehen sie jeden Morgen los“, erzählte Tante Cosima. „Bei jedem Wetter, am Sonntag wie in der Woche. Nun, das ist ja ihre Sache; mich geht das nichts an.“ „Welche Wohnung haben sie denn?“ fragte ich. „Nummer fünf. Im Ostgiebel.“ Ich kannte die sechs Wohnungen im Haus sehr gut. Nummer fünf war klein und bescheiden, ein Zimmer und eine ganz kleine Küche. Die billigste Wohnung im Haus. Ich ging in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Im Treppenhaus stieß ich mit dem Fuß gegen ein Moosbüschel. Moos? Was hatte das zu bedeuten? Waren es die Kinder von der Wohnung Nummer drei? Nein, wo sollten sie auch das Moos herhaben? Der Weg zu den Stellen, wo man Moos fand, war ziemlich weit.
    Ach, jetzt fiel es mir ein. Es mußte das Ehepaar aus Nummer fünf sein. Vielleicht waren es Botaniker und sammelten in
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