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Brans Reise

Titel: Brans Reise
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Zelt«, sagte Turvi mit einem Grinsen. »Trag sie hinunter zum Zelt, los.«
    Bran kannte den Brauch. Er hob sie auf seine Arme, und die Männer brüllten. Dielan trat zu ihm und goss ihm einen Becher Wein in den Mund. Bran schluckte und hustete, und der Wein rann in ihr Kleid. Doch sie lächelte ihn an, und das machte ihn glücklich.
    »Über die Schulter!« Hagdar richtete sich auf. »Leg sie über die Schulter!«
    Bran lachte und warf sie wie eine Jagdbeute über seine Schulter. Er selbst hatte das bei Hagdar gesehen, als dieser Linvi zur Frau genommen hatte. Dann ging er zwischen Männern und Frauen hindurch, zwischen Kindern und brüllenden Tirganern. Er trug sie über den Hafen, weg von dem Fest und in das Lager seines eigenen Volkes. Sie lag ohne ein Wort da, und als er sie am Zelt absetzte und sie beide hineinkrochen, war sie noch immer still. Er deutete auf ihre Seite der Feuerstelle und begann Funken in das Bündel Trockentang zu schlagen.
     
    Bran saß lange da und sah seine Frau über das Feuer hinweg an. Er sah die Schatten, die über ihr Gesicht flackerten. Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen, denn sie starrte ins Feuer wie ein Jäger, der einen weiten Weg hinter sich hatte. Er wollte mit ihr sprechen, doch er fand keine Worte. Er wollte sie fragen, ob sie fror, denn dann hätte er die Pelze um sie legen können. Stattdessen blieb er wie sie sitzen, den Blick auf das Feuer gerichtet, und lauschte den Trommeln und Flöten und dem knisternden Tang.
     
    Erst eine ganze Weile später kam das Fest zum Ende, und er hörte Frauen und Kinder in die Zelte krabbeln. Er lauschte Dielan und Turvi, denn die Männer blieben noch eine Weile draußen stehen und sprachen miteinander. Dann krochen auch sie in die Zelte. Da schlug sie die Pelze um sich, setzte sich gerade hin und sah ihn an.
    »Ich trage ein Kind unter meinem Herzen«, sagte sie.
    Bran wurde aus dem Halbschlaf gerissen. Ihre Worte hallten in seinem Kopf wider, und die Gedanken und Bilder, die er auf seiner Wanderung über die Ebene gehabt hatte, kamen zurück. Er sah sie mit einem Kind im Schoß. Sie war eine von seinem Volk.
    »Wie…« Er neigte den Kopf zur Seite und versuchte den Umriss ihres Bauches unter dem Pelz zu erkennen, denn er hatte dort keine Veränderung bemerkt. »Woher weißt du das?«
    Sie lachte. Es tat ihm gut, sie so zu sehen.
    »Ich weiß es«, sagte sie lächelnd.
    Er nickte. Wenn sich eine Frau sicher ist, gibt es keinen Zweifel mehr. Als Gwen Dielan gesagt hatte, dass sie ein Kind bekommen würde, war auch noch lange nichts zu sehen gewesen. Auch Dielan hatte keine Antwort darauf erhalten, wie sie das wissen konnte, und als sein Bruder die anderen Frauen gefragt hatte, wie sich Gwen so sicher sein könne, hatten sie gelacht. Bran legte ein Bündel Trockentang auf das Feuer und sah wieder zu ihr hinüber. Sie war ihm jetzt in seinen Gefühlen so nah wie damals in dem Turm.
    »Ich habe davon geträumt.« Sein Arm ruhte auf seinen Knien, und er machte es sich bequem. »Ich habe auf der Reise viele Träume und Erscheinungen gehabt. Ich habe auch dich gesehen.«
    Sie warf einen Blick zur Zeltöffnung. Die Decke, die vor der Tür hing, flatterte im Wind.
    »Erzähl«, flüsterte sie. »Von deinen Erscheinungen. Es heißt, du seist ein Träumer. Erzähl mir, was du gesehen hast.«
    Bran schob ihre Kiste vor den Eingang, denn das Heulen des Windes deutete auf einen Sturm hin.
    »Ich habe Cernunnos gesehen«, sagte er. »Ich sah ihn im Tempel in Arborg und auf der Ebene. Er hat mit mir gesprochen. Sein Gesicht trug meine Züge.«
    Tir senkte den Blick. »Die Weissagung. Cernunnos’ Wiedergeburt…«
    Sie fasste sich an den Bauch, biss die Lippen zusammen und beugte sich vor. Dann stöhnte sie, warf den Kopf von Schmerzen gequält in den Nacken und rang nach Atem.
    »Leg dich zu mir«, bat sie.
    Er kroch zu ihr hinüber, legte sich hinter ihren Rücken und schlang die Arme um ihren zarten Körper.
    »Er hat in dieser Nacht zu mir gesprochen…« Sie holte Luft, viele Male, wie Gwen es getan hatte, als sie ein Kind bekam. »In der Nacht, bevor du gefahren bist. Du musst mir versprechen…«
    Er spürte ihren Mund auf seinem Unterarm. Ihre Lippen berührten die Innenseite seines Handgelenks.
    »Versprich mir, immer bei mir zu sein. Bis zum Schluss.«
    Bran legte den Umhang um sie. »Ich werde immer bei dir sein.«
    Sie atmete aus und legte den Kopf auf seinen Arm. Er strich ihr die Haare aus den Augen. Das Feuer stürzte zusammen,
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