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Brans Reise

Titel: Brans Reise
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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verstorbenen Sippe. Bran starrte ihm in die Augen, und alles, was er sah, waren Wut und Verrücktheit. Velar rümpfte wie ein wild gewordener Hund die Nase, stöhnte und legte sein ganzes Gewicht in seinen Messerarm. Bran spürte, wie sich sein eigener Arm unter der gewaltigen Kraft beugte, während gleichzeitig die Finger um den Messerschaft taub zu werden schienen. Velar legte sich in den Riemen, und Bran wurde nach hinten gedrückt. Seine Stiefel verloren den Halt auf dem Eis, und auch Velar stürzte. Sein schwerer Körper fiel auf Bran. Er roch den Schweiß und spürte den Speichel auf seiner Stirn. Er suchte Velars Nacken und schlug seine Zähne in die Haut. Velar zuckte zusammen und heulte auf, doch Bran biss die Kiefer zusammen, bis das Blut in seinen Mund sickerte.
    Da löste sich der Riemen. Bran rollte weg und kam wieder auf die Beine. Tarba stand eine Mannslänge von Velar entfernt auf dem Eis. Er schob sein Messer unter den Gürtel und zog den Riemen zu sich. »Cernunnos! Er hatte sein Messer an deinem Herz, Tileder! Das konnte ich nicht zulassen.«
    Velar stand im Schnee auf. Sein Nacken war blutig. Bran fing seinen Angriff mit dem Ellbogen ab, bevor sie beide wieder auf das Eis stürzten. Sie landeten auf der Seite, und Velars Messerhand lag auf dem Eis. Bran schlug mit dem Schaft seines Messers auf Velars Handrücken, und dieser ließ sein Messer los. Dann wälzte sich Bran über ihn und hielt ihm das Messer an die Kehle. Velar packte sein Handgelenk und versuchte wegzukommen, doch Bran wusste, dass es jetzt für sie beide zu spät war. Er zog die Klinge über die Haut. Die ersten Blutstropfen sickerten über die Schneide.
    »Nein!«, schrie Tir. Sie sprang von der Kaimauer herunter, kniete neben ihm nieder und legte ihre Hand auf die seine. »Tu das nicht. Es hat schon genug Unfrieden gegeben.«
    Bran nahm das Messer von Velars Kehle. Er hatte jetzt eine Wunde am Hals. Wie ich selbst, dachte Bran. Er ging von ihm weg und zog Tir mit sich.
    »Sie ist meine Frau!« Er wandte sich an die Zuschauer auf der Kaimauer. »Ich bin Bran, der Häuptling des Felsenvolkes!«
    Hagdar, der von Dielan und Kai gestützt wurde, rief seinen Namen, und das ganze Felsenvolk folgte seinem Beispiel. Die Tirganer schlenderten zurück zu den Feuern, und das Fest ging weiter. Nosser sprang auf das Eis hinunter und streckte Velar seinen Arm entgegen, doch dieser stand aus eigener Kraft auf. Da zog Tir ein Stück ihres Kleiderärmels über ihre Hand, ging zu Velar und tupfte ihm vorsichtig wie bei einem Kind das Blut von der Wunde.
    »Sie ist nicht tief«, flüsterte sie. »Die muss nicht genäht werden.«
    Velar blickte sie entgeistert an, bevor er sich umdrehte und zur Kaimauer schwankte.
     
    »Lasst euch das eine Lehre sein«, sagte Turvi, als sie alle wieder am Feuer saßen. Er zeigte auf Velar, der in Decken gehüllt worden war und sich einen Leinenlappen auf die Wunde presste. »Velar ist jung, und er ist es nicht gewohnt zu trinken. Seine Worte waren nicht so gemeint.«
    »Sie waren so gemeint.« Dielan sah zu ihm hinüber. »Wir alle wissen, dass er gegen Bran und mich war, seit Bran zum Häuptling gewählt worden ist.«
    »Wir können ihm nicht vertrauen«, brummte Hagdar. Linvi wischte ihm den Schweiß von der Stirn.
    Die Tirganer lauschten dem Gespräch und schwiegen, denn durch den Zweikampf hatten sich die Fremden zu erkennen gegeben. Sie waren nicht länger Flüchtlinge aus dem Norden, sondern ein Volk mit Bräuchen und Regeln wie die Tirganer selbst. Visikal strich sich nachdenklich über seinen dünnen Bart.
    »Bran muss mit Velar Frieden schließen.« Turvi wandte sich dem Häuptling zu. »Wir sind zu wenige, um Streitereien dulden zu können. Biete ihm den Frieden an. Bran!«
    Bran sah auf seine Hände hinab. Sie zitterten.
    »Sag, dass es vorbei ist«, bat Turvi.
    Bran nickte, denn er wollte dem Alten nicht widersprechen.
    »Es ist wieder Frieden.« Turvi breitete die Arme aus und lächelte. »Lasst uns nie wieder darüber sprechen. Lasst uns feiern, aber nehmt den Wein, wenn ihr euer Glas auf jemanden erhebt und nicht zum Durstlöschen.«
    Visikal erhob seinen Krug. »Und ich will auf jemanden trinken. Auf Tir und Bran!«
    Die Tirganer und das Felsenvolk tranken, und die Flöten begannen wieder zu trillern. Jetzt stand Bran auf, denn er war müde, und ihm war nicht mehr nach Feiern zumute. Da begann Turvi, mit der Krücke auf den Boden zu hämmern, und die Männer trommelten mit ihren Krügen.
    »Runter zum
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