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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Autoren: Jo Clayton
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»Nun?«
    »Natürlich komme ich mit. Ich überlege mir selbst bereits seit Tagen, daß 's wieder mal an der Zeit für einen Besuch in Kukurul ist.« Er kratzte sich mit der Hand am Kinn. »Was macht dich so ruhelos, Brombeer-voller-Dornen?«
    »Das Gewohnte. Was sonst?« Brann wandte ihm den Rücken zu und blickte zum Fenster hinaus.
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Ach, du ...«
    »Ich.«
    Brann vollführte mit dem rechten Arm eine unbestimmte, bedeutungslose Geste; sie setzte zum Sprechen an, verstummte, versuchte es nochmals, fand diesmal noch weniger die Worte für das, was sie zu sagen hatte, die eigentliche Schwierigkeit bestand nämlich darin, daß sie gar nicht recht wußte, was sie sagen wollte. »Ich fühle mich nutzlos. Hier kann ich überhaupt nichts tun.« Sie drehte sich um, lehnte die Hüfte ans
    Fensterbrett. »Nichts von Belang.« Sie hob die Hände, senkte sie. »Ich weiß nicht, Maksim, wie ich mich ausdrücken soll. Nichts hat einen Sinn. Was ich auch anfange ... es mißlingt. Ich hab's mit Töpfern versucht, du hast mir dafür eigens einen Brennofen gebaut. Die Ergebnisse waren scheußlich. Alles was ich machte ... blieb mittelmäßig. Bäh...! In meiner Shaynamoshuer Töpferei bin ich hundert Jahre lang zufrieden gewesen. Sogar glücklich. Und hier...? Ich male, um 'n Beispiel zu nennen, eine schöne Blume. Tau auf dem Kelch, Blütenstaub an den Staubfäden, man sieht jedes Samenkörnchen. Hübsch, was? Nein, entsetzlich! In jeder toten Schnecke steckt mehr Seelenausdruck. Alles zwecklos, Maksi. Ich friste hier mein Gnadenbrot wie eine abgehalfterte Schindmähre. Nicht einmal die verdammten Götter brauchen mich noch. Vielleicht sollte ich mit dir nach Silili gehen und dem alten Tungji 'n Stiefel in den Arsch treten. Möglicherweise geschieht dann irgend etwas.«
    »Wahrscheinlich. Allerdings zweifle ich daran, daß es dir gefallen würde.«
    »Gefallen? Das spielt keine Rolle. Ich bekäme etwas zu tun. Einen Grund, um morgens aufzustehen. Ums Leben zu ringen. Du verstehst, wovon ich rede, Magier. Du bist selbst unruhig.«
    »Brann, ich ...«
    »Nein, du brauchst nichts zu sagen. Ich weiß, was du im Sinn hast. Du willst nach Silili, um mit deinem Schützling die zeremonielle Reifefeier zu begehen, und gedenkst nicht wiederzukehren. Weshalb solltest du's?«
    »Brombeerchen, komm mit mir.« Maksim lehnte sich auf dem Stuhl zurück und lachte laut, seine Stimme dröhnte und verursachte Brann ein Gefühl, als streichelte dunkler Samt ihre Glieder. »Streife mit mir durch die Welt und lerne sie kennen. Bestimmt gibt's irgendwo einen Fürsten, dem man einmal den Hintern versohlen müßte, einen hohen Herrn, dem man Benehmen beibringen sollte, oder 'n Unterdrücker, dessen Hochmut einen Dämpfer vertragen könnte. Laß uns um die Welt ziehen und Gutes tun, ganz gleich, wieviel Durcheinander wir hinter uns zurücklassen.«
    »Ach, Maksim, Liebster, du bist so ein Aufschneider, du böser alter Zauberer, du stürzt dich in die übelsten Unannehmlichkeiten, obwohl du beim kleinsten Kratzer blutest wie eine Wildsau. Ich weiß nicht recht ... Kann sein, wir brauchten bloß für 'ne Zeitlang ein etwas härteres Leben führen, und wir wüßten Ruhe und Frieden wieder zu schätzen. Naja, laß uns als erstes unsere gewöhnlichen Gelüste befriedigen und abwarten, was sich daraus ergibt.«
     
    4 Kukurul: der Ort, wo sich Seewege kreuzen. Dreh- und Angelpunkt der vier Winde. Sitzt man lange genug an einem der Tische im Freien vor dem Wirtshaus Sidday Lir, sieht man mit der Zeit, heißt es, die ganze Welt vorüberziehen. Kukurul: Teuer, farbenfroh, voller Heimlichkeit und Verderbtheit. Die Vorderseiten der Häuser weisen hinter den Fenstern Wandschirme auf, die wirken, als wären sie die Augen der Kukuruler. Längs der Ihman Katt stehen Freudenhäuser für jeden Geschmack, reihenweise Häuser von Assassinen-Zünften, die die Dienste von Messermördern und Giftmischerinnen anbieten; auf halber Länge der Katt gibt es ein schmales, schwarzes Gebäude, in dem man zum Nervenkitzel der Liebhaber solcher Vorführungen Todesrituale vollzieht, an denen die Kunden entweder teilnehmen, oder sich aufs Zuschauen beschränken können. Am Ende der Ihman Katt liegt das eigentliche Herz Kukuruls, der Große Marktplatz, ein gepflasterter Platz mit zwei Meilen Seitenlänge, auf dem man außer Hitze, Schweiß und Gestank, die umsonst sind, alles kaufen kann.
    Brann betupfte sich das Gesicht mit einem Tuch aus feinem Leinen, wischte
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