Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
zurückzugehen, als sie Anlaß hatte, um nach Jal Virri zurückzukehren? Ich würde es gerne wiedersehen, dachte sie. Ich möchte wissen, was die, die dorthin heimgekehrt sind, daraus gemacht haben.
    Als sie die Teekanne geleert hatte, blieb sie sitzen, dachte darüber nach, ob sie neuen Tee bestellen oder zahlen und den Gasthof aufsuchen sollte, um sich ein Bad und ein Nickerchen zu gönnen, bis die richtige Zeit da war, um sich nach jemandem umzuschauen, der ihr das Bett wärmte. Bevor sie zu einer Entscheidung gelangte, sah sie Katt Jaril kommen und beschloß, auf ihn zu warten.
    Der Gestaltwandler suchte sich zwischen den verstreuten Tischen einen Weg zu Brann, zog so viele Blicke auf sich, daß sie ihm Verlegenheit einflößten; Brann beobachtete, wie er dem geilen Grabschen einer Klaue auswich, so tat, als hörte er die halblaute Werbung einer Hina unbestimmbaren Alters nicht, wie er die genölten Bemerkungen einer Anzahl phrasischer Edelleute mißachtete, die nahebei an drei zusammengestellten Tischen hockten. Er wirkte wie ein Knabe, etwa vierzehn, fünfzehn Jahre alt, ein schöner Jüngling, der es irgendwie schaffte, das Linkische der Halbwüchsigkeit zu vermeiden, sein wie aus Weißgold gesponnenes, feines Haar wehte im zarten Streicheln der Brise; er hatte Gesichtszüge von vornehmem Ausdruck, Augen wie Kristalle sowie einen vorzüglich gewachsenen Körper, der sich mit unbefangener Anmut bewegte. Er zog sich einen Stuhl hervor und nahm Platz, zappelte einige Augenblicke lang ein wenig, ohne etwas zu sagen.
    »Leg dir's nächste Mal 'n paar Warzen zu«, empfahl Brann belustigt. Plötzlich war sie fröhlich. Ihr Sohn war zu Besuch gekommen. Sie schaute an ihm vorbei. Allein? »Wo steckt Yaro? Ist sie schon zu Maks gegangen?«
    »Nein«, antwortete Jaril. »Jaro ist nicht bei mir.«
    Versonnen musterte Brann ihn, winkte dann einen Bediensteten heran und bestellte einen halben Krug Wein. »Erzähl mir«, sagte sie, während sich der Bedienstete entfernte, »was geschehen ist.«
    Mit der Fingerspitze tippte Jaril in einen Tropfen verschütteten Tees und begann auf der Holzplatte des Tischs ein Muster zu ziehen. »Entsinnst du dich an den Sumpf, in den wir gerieten, ehe wir Tavisteen erreichten? Weißt du noch, was Yaro und mir dort zustieß?«
    Brann schloß die Augen, überlegte angestrengt. »Das ist schon eine Weile her«, meinte sie leise. Sie erinnerte sich an Grau. Während des Tageslichts war alles grau gewesen. Grauer Himmel, graues Wasser, auf Bäumen und Segge trocknete grauer Schlick; graue Pilze, grau die Insekten, grau überall. Sie erinnerte sich daran, eingewickelt in ein Netz aus zu Kordeln gedrehten Schilffasern aufgewacht zu sein, behaftet mit Fischgeruch. Sie entsann sich an kleine graue Männer, die sich ringsum auf der Insel tummelten, kleinwüchsige grauhäutige Männlein, die um die Hüften lumpige Fetzen aus grobem gelben Tuch trugen, graue Männchen mit rauher, trockener Haut, staubgrau und gesprenkelt mit dunkleren Tupfern und Streifen. Geringfügig hatte sie den Kopf rühren können. Spät am Tag war es gewesen, lang waren die Schatten über die Wasser gefallen. Ein Grauhäutiger hatte an einem Feuerchen gekauert, die Gestalt gehüllt in ein zu kunstvollen Mustern — Wahrzeichen seines Rangs und seiner Macht — geknüpftes Netzwerk; an einem dicken, locker um seinen kleinen, aber festen Schmerbauch geschlungenen Tau hatten Fransen aus vielfältig verknoteten Kordeln gebaumelt. Eine langfingerige Reptilienhand hatte eine Trommel gehalten: Über die Hirnschale einer großen Schlange mit nach vorn gerichteten Augenhöhlen war Schlangenhaut gespannt worden. Der Hexer hatte der gespannten Haut beharrlich ein gedämpftes Rasseln entlockt, kaum lauter als das Rascheln von Wind im Schilf; der Klang war in Branns Inneres gedrungen, bis sein Takt ihren Herzschlag und ihre Atemzüge bestimmte. Mit einem innerlichen Ruck hatte sich Brann, indem sie erschauderte, dem Bann entzogen. Als der Mann sie angesehen hatte, schauderte es ihr noch einmal. Er hatte eine Hand gehoben und damit über zwei dicke Steine neben seinem knochigen Knie gestrichen, zwei grau gemaserte Kristalle, jeder in der Größe eines menschlichen Kopfs, das Feuer hatte sich in ihnen als unendliche Vielfalt von Flämmchen widergespiegelt. Yaril und Jaril, in Stein verwandelt. Sie hatte sie sofort erkannt und sich noch stärker als vorher gefürchtet. Der Hexer hatte Brann angegrinst, dabei die harte Kante eines schwarzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher