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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Autoren: Jo Clayton
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geradewegs durch das dichte Gewirr von Ranken herein, die Maksim hatte vors Fenster wachsen lassen. Ging es nach ihm, stieg er irgendwann nach der Mittagsstunde widerwillig aus dem Bett und zog die Fenster mit dicken, schwarzen Vorhängen zu, doch Brann brauchte zu ihrem Wohlbefinden einen ungehinderten Zustrom von Frischluft und das Gefühl, daß das Freie in die Räumlichkeiten wirkte, nicht in etwas eingesperrt zu sein, dem sie nicht entweichen konnte. Die Ranken verkörperten eine Art von gemeinsamer Zwischenlösung. Brann lächelte zu den wechselhaften Schatten der Blätter empor; am frühen Morgen hatte das Licht, das eindrang, eine wirklich liebliche Grüntönung.
    Nachdem die Nächte wieder kühler waren und Brann erneut das Bett mit ihm teilte, schlief Maksim von neuem tief und fest. An seinem fleischiger, massiger gewordenen Leib, der sich im Laufe der Nacht immer noch mehr erwärmte, ließ sich angenehm schlafen, hatte er erst einmal richtig Ruhe gefunden, wie an einem Ofen, ein Segen im Winter, aber unerträglich, sobald die Nächte wärmer wurden. Weil die heiße Jahreszeit nahte, legte sich Brann in die andere Schlafkammer, und dann quälten Maksim abermals die Alpträume, die seinen Schlummer störten, wenn Brann an seiner Seite fehlte und sie nicht verscheuchte; er lebte schon seit langer Zeit und hatte Taten begangen, deren sich zu erinnern er sich weigerte; damals hatte er dafür Gründe gehabt, die er als ausreichend erachtete, doch im Rückblick erleichterten sie sein Gewissen nicht. Während des Tages beschäftigte er sich auf Jal Virri einigermaßen zufrieden, arbeitete gemeinsam mit den Elfen, die auf der Insel die Natur pflegten, in den zahlreichen Gärten, aber er träumte schlecht in den Nächten.
    Brann und Maksim schliefen miteinander um des Trostes willen, den sie sich spendeten, wenn sich ihre Körper berührten. Sie hegten füreinander tiefe Zuneigung. Man hätte es Liebe nennen können, wäre in dem Wort nicht so vielerlei mitgeklungen, mit dem sie nichts zu schaffen hatten. Maksim suchte sich seine Geliebten in Kukurul, junge Männer für ein, zwei Nächte; manche liebten ihn länger, verließen ihn jedoch schließlich immer.
    In den ersten Tagen, die sie beide zusammen auf Jal Virri verbrachten, hatte Brann eine kurze, aber schwierige Zeitspanne der Umstellung durchgemacht; sie hatte Maksim begehrt, jedoch die Aussichtslosigkeit dieser leidenschaftlichen Hinwendung einsehen müssen. Der Schmerz war kurz gewesen, aber dennoch ein Schmerz, eine Verwundung ihrer Seele. Maksims Stimme wühlte Brann auf bis ins Mark, er war ein weit überdurchschnittlicher, herausragender Mann, ein ebenso herrischer wie hingebungsvoller und vielschichtiger Mensch; nirgendwo war sie im Verlauf ihres langen Lebens jemals jemandem wie ihm begegnet. Genau wie er hatte sie eine Abneigung gegen ererbte Vorrechte, wie er eine leicht spöttische, aber von Mitgefühl und Verständnis geprägte Haltung zu gemeinen Menschlein; ihr Gemüt befand sich mit seinem Gemüt im Einklang, sie hatten an den gleichen Dingen Freude, lachten über das gleiche, legten in mancherlei Hinsicht ein ähnliches Verhalten an den Tag, sie konnten zur gleichen Zeit genügsames Schweigen bewahren. Mehr jedoch hatte es mit ihnen ganz einfach nicht auf sich. Auch sie trieb sich nächtens in Kukurul umher, allerdings weniger aus Lust, sondern mehr aus dem Bedürfnis nach Zerstreuung.
    Die Luft trug noch so viel Kühle herein, daß Brann sich enger an Maksim schmiegte. Er brummte im Schlaf, aber erwachte auch diesmal nicht. Brann kratzte sich am Schenkel, bewegte die Zehen, beugte und streckte die Knie. Es war unmöglich: Wie konnte er nur immerzu schlafen und schlafen? Sie konnte, wenn sie erst einmal wach war, nicht länger stilliegen. Im Mund hatte sie einen schlechten Geschmack, als hätte darin etwas zu faulen und zu schimmeln angefangen. Ihre Blase war übervoll; bei der nächsten Regung mochte sie auslaufen. Brann preßte die Oberschenkel zusammen; völlig vergeblich. Es geht nicht, dachte sie. Es geht einfach nicht. Vorsichtig schob sie sich aus dem Bett und lief zum Klo.
    Als sie zurückkehrte, hatte sich Maksim auf den Bauch gedreht. Er schnarchte gedämpft. Sein schwerer Zopf hatte sich gelöst, das lange, rauhe Haar lag wie grauer Tang über seine Schultern gebreitet; eine Strähne war ihm ins Gesicht gerutscht und wehte in seinen Atemzügen, kitzelte ihn an der Nase. Brann lächelte zärtlich, zupfte die Strähne beiseite, achtete
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