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Brann 02 - Blaue Magie

Brann 02 - Blaue Magie

Titel: Brann 02 - Blaue Magie
Autoren: Jo Clayton
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breiten.
    Wie Harra Hazhani ins Owlyner Tal kam. Bauchig, weil er zunahm, verströmte der Wunde Mond bläßliche Helligkeit auf ein langgestrecktes, schmales Schiff, das die vom Wind gepeitschten, gischtigen Fluten des Notoea Tha genannten Meers durchquert hatte. Der Mondschein streifte mit zarten Strahlen auch das kahle Land nördlich des Schiffs, einen schwarz-bläulichen Streifen, der nur nach und nach deutlicher erkennbar wurde, während sich das Schmugglerschiff auf seinem nordwestlichen Kurs den löchrigen Felsen an der Spitze der Landzunge näherte. Unablässig rauschten Wind und Wasser an dem ausgehöhlten Fels, sangen bei Tag und Nacht gemächliche, traurige, schreckliche Lieder und blieben höchstens jeden zweiten Monat einmal für ein Stündchen still.
    Auf Deck schlief am Fockmast eine Frau, eingewickelt in Decken und von eigener Hand durch ein Tau mit dem Mast verbunden. Der Knoten ließ sich mit einem schnellen Ruck aufknüpfen. Man konnte von der Frau nicht mehr sehen als die blasse Wölbung einer Schläfe und langes, schwarzes, zu einem Dutzend Zöpfe geflochtenes Haar, durch das der Wind fuhr, an dem er zupfte und zerrte; die Spangen in der Form goldener Käfer schlugen tack-tack ständig gegen das Holz, aber das leise Geräusch ging im Knarren, Geknacke und Ächzen des Schiffs unter, das durch die See kreuzte. Neben ihr saß ein Mann, den Rücken an den Mast gelehnt, auf den Oberschenkeln ein blankes Schwert. Ab und zu trank er aus einem Weinschlauch, und während sich die Nacht hinzog, nahm er längere Züge und zudem häufiger. Er war von hohem Wuchs und zeichnete sich in der schmeichelhaften Trübnis des Nachtdunkels durch jene muskelreiche Schönheit aus, mit der Bildhauer Heldendenkmäler versahen; auch bei Tageslicht hatte er das Aussehen eines Helden, solange man nicht zu genau hinsah, denn er befand sich auf der Stufe reiferen Alters, mit dem gleichzeitig das Einsetzen des Verfalls einherging.
    Lange änderte sich nichts am üblichen Verlauf einer ruhigen Nacht mit all ihrer großen Stille und ihren kleinen Unwägbarkeiten; der Wunde Mond schwebte langsam über die Mastspitzen hinweg und senkte sich allmählich auf die Wogen der schwärzlichen Fluten mit ihrem Flechtwerk aus Schaum hinab; der Winselgesang der durchlöcherten Felsen wurde so laut, daß man es weithin übers Brausen des Meers hören konnte, durch den Wind und die Geräusche des Schiffs, und schließlich drang es auch in den umnebelten Geist des blonden Helden, der sich daraufhin mißvergnügt regte und nach dem leeren Weinschlauch langte. Ihm fiel ein, daß dieser leer war, noch ehe er die Gebärde vollendete, und er sank wieder in die Benommenheit, den Nichtschlaf, der keinerlei Ähnlichkeit mit der Wachsamkeit hatte, für die er bezahlt wurde. Auch die Frau rührte sich, murmelte im Schlaf, machte schwerfällige Bewegungen, war offenbar dem Erwachen nahe.
    Dann begannen Schatten den Fockmast zu umlauern, finstere Gestalten näherten sich in lautloser Barfüßigkeit und selbstsicherer Geschmeidigkeit: der Schiffsherr und seine Mannschaft handelten nach ihrer Natur, einer Natur, die die Frau durchaus erkannt hatte, als sie die Vereinbarung für eine Überfahrt auf diesem Gaunerschiff traf, weil es ihr auf eine möglichst heimliche Abreise aus Bandrabahr ankam, um der allzu aufdringlichen Zuwendung eines früheren Freunds ihres verstorbenen Vaters zu entgehen, eines Mannes, der in den dortigen Landen große Macht ausübte. Weil ihr keine Wahl blieb, was die Beförderung betraf, sie aber sah, in was für einen Pfühl sie sich wagte, hatte sie den blonden Recken als Leibwächter gemietet, und bis zu dieser Stunde hatte er seine Aufgabe gut erfüllt, doch nun sollte es mit ihrem und seinem Glück vorüber sein.
    Es verursachte nur ein leises Schlitzgeräusch, als man dem blonden Helden die Kehle durchschnitt, das Stöhnen des zerlöcherten Felsens, der sich jetzt bloß noch ein paar Schiffslängen entfernt befand, übertönte das Geräusch, aber da sich ringsum die Mehrheit der Besatzung zusammengerottet hatte, anstatt sich ums Schiff zu kümmern, wurde es von einem Ruck erschüttert, als ärgerte es sich über diese Vernachlässigung, und das Schwert des Recken rutschte ihm von den Beinen und klirrte aufs Deck. Die Frau, ohnehin schon halb wach, riß an dem Knoten des Taus, sprang auf und ergriff die Flucht. Mit beiden Händen hielt sie ein Messer, mit dem sie zustieß; sie duckte sich, wich aus, entzog sich dem Zugriff von
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