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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen
Autoren: Dean R. Koontz
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zurückversetzen konnte, weil man am Schicksal keine Rache nehmen kann. Selbst bei Delta war der Feind so gesichtslos gewesen - jene amorphe Masse aus Verrückten und Fanatikern, die den internationalen Terrorismus< repräsentierten -, daß es eine Art von Rache war, die wenig Befriedigung verschaffte. Aber hier war ein Feind von unvergleichbarer Bösartigkeit, ein Feind, der diesen Namen verdiente, und er würde ihn für das bezahlen lassen, was er Einstein angetan hatte. Er raste durch den Flur, die Treppe hinunter, jeweils zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, wurde von Übelkeit und Schwindel befallen, stürzte beinahe. Er packte das Geländer, hielt sich daran fest. Dabei stützte er sich auf den falschen Arm, und eine heiße Welle des Schmerzes lief durch seine verwundete Schulter. Er ließ das Geländer los, verlor das Gleichgewicht, fiel über die letzten zwei Stufen und prallte unten hart auf. Sein Zustand war schlechter, als er gedacht hatte.
    Die Uzi fest umklammernd, stand er auf und taumelte durch die hintere Tür auf die Veranda hinaus und über die Stufen hinunter in den Hof. Der kalte Regen machte seinen Kopf klar. Er blieb einen Augenblick auf dem Rasen stehen und ließ sich vom Sturm umwehen. Das Bild von Einsteins zerschmettertem, blutigem Körper erstand vor seinem inneren Auge. Er dachte an die spaßigen Botschaften, die nie wieder auf dem Boden der Speisekammer ausgelegt werden würden. Dann an künftige Weihnachten, an denen Einstein nicht wieder in seiner Weihnachtsmütze herumtoben würde. Er dachte an Liebe, nie wieder gegeben, nie mehr empfangen, dachte an all die genialen kleinen Hündchen, die nie geboren werden würden, und das Gewicht all diesen Verlustes drückte ihn fast zu Boden. Er schärfte seine Wut an seinem Leid, schliff seinen Zorn, bis er scharf war wie ein Rasiermesser. Dann ging er zur Scheune. Drinnen drängten sich die Schatten. Er stand an der offenen Tür, ließ den Regen auf Kopf und Rücken trommeln, spähte hinein, schaute mit zusammengekniffenen Augen in die Schwärze, hoffte die gelben Augen zu entdecken. Nichts.
    Er ging durch die Tür, tollkühn in seiner Wut, schob sich seitwärts zu den Lichtschaltern an der Nordwand. Doch selbst, als das Licht anging, konnte er den Outsider nicht sehen.
    Er kämpfte gegen die Benommenheit an, biß die Zähne vor Schmerz zusammen, bewegte sich langsam weiter, vorbei an der freien Fläche, wo sonst der Pick-up stand, hinten an dem Toyota vorbei, dann an der Wagenseite entlang. Der Speicherraum unterm Dach.
    Nur noch ein paar Schritte, und er würde unter dem Speicherboden hervortreten. Wenn das Ding dort oben war, konnte es auf ihn herunterspringen ... Doch diese Spekulation erwies sich als Sackgasse, denn der Outsider war an der Hinterwand, vor dem Kühler des Toyota, kauerte dort auf dem Betonboden, wimmerte und hielt die beiden mächtigen, langen Arme an sich gepreßt. Der Boden rings um die Bestie war mit Blut beschmiert.
    Travis stand fast eine Minute lang neben dem Wagen, fünf Meter von dem Geschöpf entfernt, und studierte es mit einer Mischung aus Ekel und Furcht, Schrecken und eigenartiger Faszination. Er glaubte die Körperformen eines Affen zu sehen, vielleicht eines Pavians - jedenfalls irgendeines Angehörigen der Gattung Affe. Aber es war weder vorwiegend eine Gattung noch lediglich ein Flickwerk erkennbarer Teile vieler verschiedener Tiere. Es war vielmehr ein Ding ganz für sich. Mit seinem übergroßen, knolligen Gesicht, den riesigen gelben Augen, dem ausladenden Kinn, den langen, gebogenen Zähnen, dem krummen Rücken, dem filzigen Fell und den zu langen Armen war es von furchterregender Eigenart. Er starrte ihn an, wartete. Er trat zwei Schritte vor, brachte die Waffe in Anschlag. Der Outsider hob den Kopf, seine Kinnladen bewegten sich, ein scharrendes, brüchiges, undeutliches und doch verständliches Wort kam hervor, das Travis trotz des Heulens des Sturms hören konnte:
    »Verwundet.« Travis war mehr erschrocken als erstaunt. Das Geschöpf war nicht dazu bestimmt gewesen, der Sprache mächtig zu sein, und doch besaß es die Intelligenz, Sprache zu lernen und Verständigung zu wünschen. Offenbar war jener Wunsch in den Monaten, in denen es Einstein verfolgt hatte, so groß geworden, daß es in gewissem Maße seine physischen Grenzen überschritten hatte. Es hatte Sprache geübt, Mittel und Wege gefunden, seinen unterentwickelten Sprechwerkzeugen und seinem zum Sprechen ungeeigneten Maul ein paar
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