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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd
Autoren: Patricia Cornwell
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bringst ihr die, und im Gegenzug wird sie dir Einzelheiten liefern, die die Ermittlungen betreffen, forensische Juwele, die dir vermutlich entgangen sind. Solche, die der Anklage helfen könnten, wenn der Fall nächsten Monat zur Verhandlung kommt. Darüber spottet sie, dass dir etwas entgangen sein könnte. Dass es in irgendeiner Weise mit Lucy zusammenhängen könnte.«
    Seine Lesebrille lag zusammengelegt neben seinem Tischset, und er entschied sich, sie aufzusetzen.
    »Carrie möchte, dass du sie besuchen kommst. In Kirby.«
    Sein Gesicht war angespannt, während er mich über die Brillengläser hinweg ansah.
    »Das ist sie.«
    Er zeigte auf den Brief.
    »Sie taucht wieder auf. Ich wusste es.« Seine Stimme klang erschöpft.
    »Was meint Carry mit dem dunklen Licht?«, fragte ich und stand auf, weil ich keinen Augenblick länger sitzen bleiben konnte.
    »Blut.« Er schien sich ganz sicher zu sein. »Als du Gault in den Oberschenkel gestochen und seine Arterie getroffen hast und er verblutet ist. Oder verblutet wäre, wenn nicht der Zug den Rest erledigt hätte. Temple Gault.«
    Er nahm seine Brille wieder ab, weil er innerlich aufgewühlt war.
    »Solange Carrie Grethen ihr Unwesen treibt, tut er es auch. Die bösen Zwillinge«, setzte er hinzu.
    Tatsächlich waren sie keine Zwillinge gewesen, sondern hatten sich nur beide das Haar gebleicht und fast bis auf die Kopfhaut abrasiert. Sie waren von vorpubertärer Magerkeit und waren auf dieselbe geschlechtslose Weise gekleidet, als ich sie zuletzt in New York gesehen hatte. Sie hatten gemeinsam gemordet, wir hatten sie in der Bowery geschnappt, und ich hatte Temple Gault im U-Bahn-Tunnel getötet. Ich hatte nicht vorgehabt, ihn zu berühren oder zu sehen oder auch nur ein einziges Wort mit ihm zu wechseln, denn meine Mission in diesem Leben war es nicht, Verbrecher zu fassen und justiziablen Mord zu begehen. Doch Gault hatte es so gewollt. Er hatte es darauf angelegt, denn von meiner Hand zu sterben hieß, mich auf ewig an ihn zu ketten.
    Ich kam von Temple Gault nicht los, obwohl er seit fünf Jahren tot war.
    Grausige Bilder quälten mich, von zerfetzten Gliedmaßen, die verstreut entlang blitzender Stahlgleise lagen, von wimmelnden Ratten umgeben, die aus de m tiefen Schatten hervorhuschten, um sich über sein Blut herzumachen.
    In meinen Alpträumen waren seine Augen eisblau, und die Iris war wie in Moleküle zersprungen, und ich hörte herandonnernde Züge, die Augen hatten wie Vollmonde und mich blendeten mit ihrem grellen Licht. Noch mehrere Jahre, nachdem ich ihn getötet hatte, vermied ich es, Autopsien an Opfern von Zugunglücken vorzunehmen. Mir war das gesamte gerichtsmedizinische System Virginias unterstellt, sodass ich Fälle an meine Stellvertreter delegieren konnte, und genau das hatte ich auch getan. Selbst jetzt konnte ich Seziermesser mit ihrem kalten, scharfen Stahl noch nicht wieder mit dem gelassenen Blick von früher ansehen, weil Gault mich in die Situation gebracht hatte, ihm ein solches Messer ins Fleisch zu jagen, und ich es getan hatte. In Menschenmengen erblickte ich Männer und Frauen, die wie er waren, und nachts schlief ich näher bei meinen Pistolen.
    »Benton, warum duschst du nicht, und dann sprechen wir in aller Ruhe über unsere Pläne für die nächste Woche«, sagte ich und schüttelte Erinnerungen ab, die mir unerträglich waren.
    »Ein paar Tage für dich allein, Lesen, Strandspaziergänge machen, das wäre doch genau das, was du brauchst. Und einsame Radtouren liebst du doch sowieso. Vielleicht täte es dir ganz gut, ein bisschen für dich allein zu sein.«
    »Lucy muss Bescheid wissen.« Er stand ebenfalls auf. »Im Augenblick ist Carrie zwar eingesperrt, aber sie wird noch mehr Ärger machen, der Lucy mit hineinzieht. Genau das verspricht sie in ihrem Brief an dich.«
    Er verließ die Küche.
    »Noch mehr Ärger kann einem doch kein Mensch machen!«, rief ich ihm nach und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.
    Benton blieb stehen.
    »Sie kann deine Nichte in den Prozess hineinziehen. Ihr Privatleben öffentlich machen, überall in den Schlagzeilen: New York Times, Presseagenturen, Hard Copy, Entertainment Tonight.
    Rund um die Welt: FBI-Agentin war lesbische Geliebte von geisteskranker Serienmörderin ... «
    »Lucy hat das FBI, mit all seinen Vorurteilen und Lügen, und seiner ewigen Sorge, nach außen als das mächtige Bureau gut dazustehen, doch längst verlassen.« Tränen schossen mir in die Augen. »Da ist
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