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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd
Autoren: Patricia Cornwell
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könnten Übereinstimmungen mit ihrer gekritzelten Botschaft ergeben. Dann könnten wir beweisen, dass sie diese verdrehte Botschaft kurz vor ihrem Mordprozess am Obersten Gerichtshof von New York City verfasst hatte. Die Geschworenen würden erkennen, dass sie sich nach fünf Jahren psychiatrischer Behandlung auf Kosten steuerzahlender Bürger nicht geändert hatte. Dass sie keine Reue empfand. Dass sie sich noch immer an ihren Untaten weidete.
    Ich war überzeugt, dass Benton irgendwo in der Nachbarschaft war, denn ich hatte seinen BMW nicht wegfahren hören. Ich rannte die frisch asphaltierten Straßen entlang, vorbei an großen stuckverzierten Villen aus rotem Klinker, bis ich ihn unter Bäumen entdeckte, von wo er reglos auf einen felsigen Abschnitt des James River hinausstarrte. Das Wasser sah frostig aus wie Glas, und Zirruswolken bildeten verwischte kalkige Streifen am verblassenden Himmel.
    »Sobald ich wieder beim Haus bin, breche ich nach South Carolina auf. Ich bringe die Wohnung in Ordnung und besorge dir deinen Scotch«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Und Black Bush.«
    »Du brauchst doch heute Abend noch nicht zu fahren«, sagte ich und traute mich nicht, näher zu ihm hinzugehen, als das schräg einfallende Licht sein vom Wind bewegtes Haar beleuchtete.
    »Ich muss morgen früh aufstehen. Du kannst doch mit mir zusammen aufbrechen.«
    Er schwieg und starrte zu einem Weißkopfadler hinauf, der mir gefolgt war, seit ich das Haus verlassen hatte. Benton hatte sich zwar eine rote Windjacke übergezogen, doch wie er dort stand in seinen klammen Laufshorts, die untergeschlagenen Arme an die Brust gepresst, sah er aus, als ob er frieren würde. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er schluckte, und sein Schmerz strahlte von einem verborgenen Punkt, den wohl nur ich sehen durfte.
    In Augenblicken wie diesen wusste ich nicht, weshalb er es mit mir aushielt.
    »Glaube nicht von mir, dass ich eine Maschine bin, Benton«, sagte ich leise zum millionsten Mal, seit ich ihn liebte.
    Immer noch antwortete er nicht. Das Wasser hatte kaum die Kraft, stadtwärts zu fließen, und plätscherte träge dahin, während es sich ahnungslos auf das Getöse der Staustufen zu bewegte.
    »Ich schlucke so viel, wie ich kann«, erklärte ich. »Ich schlucke mehr, als die meisten Menschen verkraften können. Erwarte nicht zu viel von mir, Benton.«
    Der Adler kreiste über den Wipfeln der hohen Bäume, und Benton klang versöhnter, als er endlich sprach.
    »Auch ich schlucke mehr, als die meisten Menschen verkraften können«, sagte er. »Teilweise, weil du es tust.«
    »Ja, das stimmt für uns beide.«
    Ich trat ganz nah hinter ihn und schob meine Arme um das glatte, rote Nylon über seinen Hüften.
    »Das weißt du auch verdammt genau.«
    Ich schlang die Arme fest um ihn und grub mein Kinn in seinen Rücken.
    »Einer deiner Nachbarn beobachtet uns«, sagte er. »Ich kann ihn hinter seiner Terrassentür sehen. Wusstest d u schon, dass du in deiner piekfeinen Wohngegend einen Spanner hast?«
    Er legte seine Hände über meine und spielte gedankenverloren mit meinen Fingern.
    »Klar, wenn ich in deiner Nähe wohnte, würde ich auch zum Spanner«, setzte er hinzu, und sein Tonfall verriet mir, dass er lächelte.
    »Du wohnst doch hier.«
    »Hm, hm. Ich schlafe hier bloß.«
    »Lass uns über morgen sprechen. Wie immer werden sie mich so um fünf am Eye Institute aufgabeln«, erklärte ich ihm. »Ich denke, wenn ich um vier aufstehe ...« Ich seufzte und fragte mich, ob das Leben immer so sein würde. »Du solltest über Nacht bleiben.«
    »Ich stehe sicher nicht um vier auf.«

2
     
    Der Morgen erwachte unerfreulicherweise auf einem flachen Feld, das sich im ersten Licht blau zu färben begann. Ich war um vier Uhr aufgestanden und Benton ebenfalls, weil er spontan beschlossen hatte, dass er doch lieber mit mir zusammen aufbrach.
    Wir hatten uns flüchtig geküsst und einander kaum angesehen, als wir zu unseren Wagen gingen, denn ein kurzer Abschied fiel immer leichter als einer, der sich schleppte. Als ich jedoch die West Cary Street in Richtung Huguenot Bridge entlangfuhr, schien eine bleierne Schwere von meinem Körper Besitz zu ergreifen, und ich fühlte mich auf einmal ausgelaugt und traurig.
    Wie ich aus Erfahrung wusste, war es unwahrscheinlich, dass ich Benton diese Woche sehen würde, und so würde es auch keine Erholungspause und keine Bücher und kein langes Ausschlafen geben. Brandschauplätze waren immer eine knifflige
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