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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Autoren: Torsten Sträter
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Zwiebeln und bis zum Exzess eingelegte Peperoni
inklusive.
    Am Spätnachmittag habe ich noch eine Kindermilchschnitte in
der Ablage meines Wagens gefunden und auf der A 42 gegessen, ohne sie eines
Blickes zu würdigen, obwohl sie mir aus den Augenwinkeln etwas zu voluminös
daherkam.
    Die Fahrt nimmt Tempo auf und meine Nieren knallen mir unter
die Achselhöhlen.
    Der DJ spielt »Sehnsucht« von Purple Schulz, und ich schieße
meinen linken Slipper in einen nahe gelegenen Bierstand, während ich irrsinnig
kreisele, an Gesichtern vorbeirase, die auch bei hoher Geschwindigkeit nicht
schöner werden und versuche durch die Ohren zu atmen.
    Wenn ich den Mund öffne …
    Purple schreit »ICH WILL RAUS!« und ich vernehme Ähnliches
von der Kindermilchschnitte, reiße die Gucci-Tasche hoch und übergebe mich im
ganz großen Stil, den Geruch vom Kunstleder einer fiesen kleinen
Billigtaschenschmiede in Usbekistan in der Nase.
    »Holla, die Waldfee«, sagt meine Oma gern, wenn etwas
besonders unvorbereitet kommt; ich schließe rasch die gefüllte Tasche - knack,
knack - und beglückwünsche mich, keine mit Reißverschluss genommen zu haben,
den ich bei der Fliehkraft niemals zubekommen hätte.
    Weg damit – mein Beitrag zum Wunschbrunnen von Herne ist
geleistet. Möge jemand das Gucci-Monster mit heim nehmen und seinen Lieben
präsentieren.
    Die Krake rollt, kurbelt und randaliert langsam aus und ich
spüre ranzigen Pudding in meinen Gelenken. Da: Jemand hat die Gucci-Wundertüte
gefunden. Ein durchtrainierter Kerl in chromfarbenen Adidas-Schlappen langt in
die Tasche. Gulasch? Treibsand? Die Reste eines Ölwechsels? Er zieht die Hand
heraus – süße Erkenntnis, umschlinge mich. Dann … Er wird doch nicht? Doch. Die
Tasche zu füllen wird zum Mannschaftssport. Schnell wende ich mich ab, um die
nächste Attraktion zu besuchen.
     
    4. Autoscooter
    An sich lächerlich – macht aber Spaß.
    Der Chipverkäufer scheint derselben inzestuösen Sippe
anzugehören wie der vorhergehende, und sein Mikrofon weist einen fetten
Schaumgummidämpfer auf – ich erwerbe zehn Chips zum Preis von acht und sehe
mich um.
    Wo zum Teufel sind Edward Norton und Brad Pitt? Die anderen
Mitglieder des Fightclub jedenfalls haben sich um die aalglatte Fahrfläche
versammelt, rauchen mit ihren sechsjährigen Schwestern Selbstgedrehte und haben
keine Muskeln, spannen sie aber an.
    Ich bin hier der einzige Erwachsene; gleichzeitig aber auch
der Einzige, der versucht, sich nicht wie einer zu benehmen. Alle anderen hier
spielen in einem Bauernschwank namens »Das dreckige Dutzend besteigt seine
Wagen und kollidiert bis der Tod eintritt«.
    Neben dem Wagen, den ich wähle, küsst ein etwa zwölfjähriges
Mädchen, jeder Zensur spottend, einen Typ, der die Hose auf den Knöcheln hängen
hat. Das ist allerdings kein Zeichen fortgeschrittenen Pettings, sondern von
Eminem vorgelebte Mode. Cooler wäre nur noch, die Jeans gleich im Laden zu
lassen.
    Ein ÖÖÖÖÖK! ertönt, aber ich alter Hase weiß, dass
ich den Chip schon vorher einstecken darf. Nur Amateure warten auf das Signal.
    Drei Sekunden später rammt mich ein Kleinkind in einem
XXL-Shirt, auf dem FUBU steht, frontal, und meine Sonnenbrille schliddert einem
gelangweilt wartenden Hochglanz-Nike-Trainingsanzug vor die Füße.
    »Meine!« brülle ich ihm zu, während ich mit vier
Stundenkilometern an ihm vorbei rase, und er erwidert: »Jetzt nicht mehr, Opa.«
    Ich brülle nach einer Hilfskraft und ein ausgemergelter Mann
nähert sich. Immer im Verborgenen, aber stets anwesend – die Herner Variante
des Phantoms der Oper.
    Das Phantom trägt Breitkordhosen und bespringt willkürlich
anderleuts Autoscooter, um dann seinen allmächtigen Universalschlüssel in den
Chip-Schlitz zu rammen.
    Ob man gern die Ruhrgebietsversion von Keith Richards an der
Stange kleben hat, interessiert ihn wenig: Vorzugsweise Mädchen in T-Shirts,
auf denen Schlampe steht, werden seiner Mitfahrt teilhaftig.
    Er strotzt vor öliger Vitalität, als er sich mir in den Weg
stellt.
    »Der Penner da vorn hat meine Sonnenbrille«, krakele ich
gegen »Coco Jambo« von Mr. President an, und er spannt den Oberarm, sagt
aber nichts.
    Kräftig, der Knabe, denke ich.
    »Können Sie mich verstehen, Herr?« frage ich.
    Ist das Phantom gesund, freut sich der Mensch. Es
interessiert mich wirklich.
    Spricht er gern? Hält er verschachtelte Monologe vor
Gleichgesinnten des Vereins »Spring drauf und scheiß auf den Fahrer e.V.«?
    Redet er nur
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