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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Autoren: Torsten Sträter
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Gang.
    Das hätte ich noch unheimlicher gefunden, wenn die zurück
klappende Wand nicht gerade ein auf dem Boden klebendes Duplo-Einwickelpapier offenbart
hätte.
    Es war für mich, als würden Siegfried und Roy auftreten und
einer von beiden ließe einen fahren, während er einen Elefanten in eine Mücke
verwandelte.
    Ein bunter Haufen aus Frührentnern, Holländern und
Durchschnittsbürgern hetzte durch den zappendusteren Gang, der in die Bathöhle
führte.
    Gut gemacht, das Ding. Batman, ein Roboter ohne Unterleib,
hockte hinter einer Abdeckung, ruckte mit dem Kopf und gab uns über die Boxen
Saures.
    Es ging um die »rote Dreiecksbande«, Bomben, Batmans miese
Laune und Pinguine. Bei der Erwähnung der Wasservögel konnte ich ein Lächeln
über das Gesicht des Metzgers huschen sehen. Vermutlich ließ er gerade einige
Königspinguine in einer Mortadellaform verschwinden und schrieb im Geiste
Preisschilder auf Schiefertafeln.
    Zehn, elf Monitore flammten auf und brachten Ansichten
Gothams, in dem sich irgendein vom Oberpinguin inszenierter
Kinderraub-Schlamassel ereignete.
    »IN DIE MODULE!« brüllte Batman, und wir stürmten in
schwarze Container ohne Fenster.
    Ein Flugsimulator, unbequeme Sitze inklusive.
    Wir schnallten uns an, eine Projektion begann, und unser
Modul raste scheinbar planlos durch Batmans Revier. Der Ingenieur dieses
Fahrgeschäfts schien während der Installation den Freuden des Crack-Rauchens
anheimgefallen zu sein, denn die Kisten rappelten, dass es einem den Kitt aus
der Brille katapultierte.
    Trotzdem: Immer wieder gern.
     
    Zurück im Licht des Parks stürmten meine beiden Damen sofort
auf die zwei Meter großen Live-Actors von Bugs Bunny und dem verknallten Stinktier
zu, die sich irritierenderweise unterhielten.
    Bugs: »Also, ich nehme für die paar Kröten nicht wieder das
Karnickel. Wenn du kacken musst, brauchst du vier Bauarbeiter und eine
Garderobiere, um hier rauszukommen.«
    Verknalltes Stinktier: »Ich hab mit meinem Scheiß-Schwanz
bei Ali alle Hotdogs vom Grill gefegt – der kann ja richtig sauer werden, der
Vogel.«
    Bugs: »Ja. Wird Zeit, dass die Saison zu Ende geht. Dann
kann ich wieder kiffen und DOOM spielen. Der Typ, der den Duffy macht, hat sich
am Dienstag in die Hose gepinkelt. Achtung! Kinder!«
    Dann hampelten die beiden Niedriglohn-Toons stumm um meine
Nichten herum, aber ich verspürte keinen Drang, sie mit einem Hasen zu
fotografieren, der auf Ego-Shooter steht.
     
    Ich hatte ein abscheuliches Déjà vu an der Kasse von
Gotham-Burgers, wo Männer in gelben Polohemden Brötchen und Fleischpucks
zusammen kloppten, als ständen sie bei Opel am Fließband. Aber wir hatten
einfach Hunger.
    Die jüngere meiner Nichten trollte sich vor die Tür, da sie
von ihrem Lunch gesättigt war, der aus einer kleinen Pommes und bis zur
Unkenntlichkeit durch die Mangel gedrehte Mayonnaise mit Ketchup, Röstzwiebeln
und Fanta bestanden hatte.
    R. Kelly knödelte so laut von der City of Justice, City of
Joy, dass mein Burgerpapier vibrierte, ich steckte mir eine an, inhalierte und
spürte, wie sich mein Innerstes einpegelte.
    Was konnte schon noch kommen?
    Die Kleine kehrte zurück und mein Blut gefror in bester
Jason-Dark-Manier.
    Eben noch ein fröhliches Kind in fröhlicher Kinderkleidung
und mit besten Kinderabsichten – jetzt nur noch ihrer Schatten ihrer selbst.
Ihr Gesicht war leer, jede Empfindung schien ausradiert. Und ihr Haar war
schlohweiß. Was war ihr widerfahren? Welches Trauma wütete in ihr? Ich hatte
sie nur fünf Minuten aus den Augen gelassen – nun würde ich für immer dafür
büßen.
    Hinter ihr trabte eine ältere Frau heran, überholte meine
traumatisierte Nichte und brüllte: »Wessen Kind ist das?«
    Eine Augenzeugin! Gott sei Dank!
    »Meine! Was haben Sie beobachtet? Kriegen wir das Schwein?«
    Sie beugte sich zu mir herunter.
    »Schon geschehen. Wären sie so reizend, gleich an meinem
Stand vorstellig zu werden? Bringen Sie bitte Geld mit. Ihr Kind hat den Kopf
in die Zuckerwatte-Maschine gesteckt.«
    Ich hörte im Geiste das Hüsteln des Orchesterchefs, und dann
spielten sechzehn Streicher, zweiundsiebzig Posaunisten und vierzig Tubaspieler
ein technisch einwandfreies Mööööööööööööööp!
     
    128 Euro später.
    Ich hatte alles gegeben: Eine Runde sperrholzartiger
Brezeln, Hemdchen in lila, auf denen eine Stickerei von Tweety zu sehen war,
aufgemacht wie eine Prostituierte, sechs Cola (»Gibt’s die auch mit
Extrazucker? Nein? Valium?
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