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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Autoren: Torsten Sträter
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du mich anlaberst, hau ich dich zu
Klump, Bayer« anzuschaffen. Hilft.
    Dann höre ich die Trompeten von Jericho.
    Sie spielen »Einer geht noch«.
     
    2. Das Bierzelt
    Ich betrete das Zelt, und der Geruch einer anderen Welt
schlägt mir zusammen mit den Gesängen volltrunkener Menschen entgegen.
    Die Temperatur im Innern beläuft sich auf geschätzte 50
Grad, aber das scheint niemanden zu stören.
    Auch die getürkten Bayern nicht, die sich bühnenwärts
stilecht in Kackledernen um den Verstand knödeln, aber verräterische
»Tischtennisverein Essen Kray Forever«-Tattoos aufweisen. Links von mir eine
steinalte Frau, die ein unbarmherziger Diktator in ein Dirndl gepresst hat, um
stilecht Weißbier zu servieren. Ihre Brüste sind so hochgedrückt, dass ihre
Sicht komplett verbaut ist, und sie rempelt ständig irgendwo an.
    Einer geht noch, einer geht noch rein: Stimmte aufs Haar,
sofortige Beweisführung durch tausend entsprechend vorbelastete Herner
inklusive.
    Jemand greift mich am Ärmel.
    »Hotte, alte Surge. Immer noch UHU am schnüffeln? Wann
kommste mal wieder an Alis Bude? Jägermeister und so, ne?«
    Nie gesehen den Mann, aber da ich zur Toilette muss, steht
mir gerade nicht der Sinn danach, mich mit einem Kerl zu prügeln, der nur
deswegen nicht mit einer schweren Alkoholvergiftung von der Bank gleitet, weil
ihn seine Kumpels beim Schunkeln mitzerren.
    »Ich bin jetzt auf Prittstift, Hoschi«, antworte ich, »wegen
meiner Alten.« Dann brülle ich: »Michael Schumacher!«
    Sofort beginnen alle zu singen:
    »WER IST DER GRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖSSTE?«
    »SCHU-MA-CHER!«
    »WER IST DER SCHNELLSTE?«
    »SCHU-MA-CHER!«
    »WER IST DER BESTEEEEE?«
    Einzelne, schwere Stimme: »HERBERT GRÖN…«
    Es ertönt ein dumpfer Schlag und ich mache mich davon.
    Die Toilettenfrau muss die Mutter der Dirndlmumie sein –
ihre Falten sind tief wie die Marskanäle, und die ganz tiefen Furchen hat die
Sonnenbank nicht erreicht.
    »Pissen 50 Cent, Kacken ein Euro«, offeriert sie mir
herzlich, und ich sehe, dass ihr linkes Bein eingegipst ist.
    Drei Fragen zur Situation:
Wenn sie nicht laufen kann, wer
     putzt das Klo?
Zahlt man vorher, einfach weil
     die Welt schlecht ist?
Wenn ich einen Euro zahle, aber
     nicht »Groß« muss, weil ich gerade nicht kann, brüllt sie dann: »ERIKA!
     ICH HAB ’NEN STORNO!«
    Ich nehme das Programm für 50 Cent, atme tief ein und trete
an die Rinne.
    Neben mir steht ein alter Mann, der seinen Penis schlenkert
wie ein Lasso, was eine Reihe irritierender SCHLOK-SCHLOK -Geräusche
produziert.
    Als ich ihn anstarre, meint er: »Keine Angst, beißt nicht –
der will nur spielen.«
    Flucht.
    Alles dreht sich, aber es könnte schlimmer sein.
    Das wird es sicher auch.
     
    3. Die Krake
    Diese Gerätschaft, offenbar von der russischen
Raumfahrtbehörde ausgemustert und angemalt wie eine Packung Fischstäbchen,
wirbelt zwei Dutzend Einheimische in alle Himmelsrichtungen durcheinander, um
sie vergessen zu machen, dass Übelkeit in der City umsonst zu haben ist, auf
der Kirmes aber drei Euro kostet.
    Es ist ein Flohmarkt in Raserei, denn alle Passagiere
verlieren etwas: Haarspangen, nachgemachte Swatch-Uhren, Nietenarmbänder,
Bausparverträge, die sechshundert besten Country-Songs auf 17 CDs (nur im
Teleshop oder auf dem Stahlplateau von Erich Kaschuppkes Fahrgeschäft
erhältlich); man muss das Zeug nur einsammeln.
    Verliebte bevorzugen die Krake, weil die Fliehkraft die
beiden Körper in der zweisitzigen Todesgondel zu einem Klumpen zusammen presst,
und so nah kommt man sich nie wieder.
    Zynische Passagiere, die beutelweise benutztes Katzenstreu
mit auf die Fahrt nehmen, gibt’s allerdings auch. Ich musste meins zuhause
lassen. Bin mit der Bahn da.
    Der Chipverkäufer und Discjockey in Personalunion nimmt das
Mikrophon vollständig in den Mund und kreischt:
    «Jezzwiederzusteigenjezzwiederdabeiseinnächstefahrtschnellerschnellerschnellerihrärsche!«
    So motiviert wird man eigentlich nur im Shoppingkanal von
RTL, also kaufe ich einen Chip, der mir sofort wieder von jemandem entrissen
wird, dem offenbar die Flucht vom Planeten der Affen geglückt ist. Jetzt dient
er erneut einer Monstrosität, und ich lächele ob dieser feinen Ironie – aber
nur kurz.
    Dann rammt mir der Flüchtige den Stahlbügel in die Hoden,
und die Krake beginnt zu rotieren.
    Eine kurze Inventur:
    Morgens zwei Duplo, Schonkaffee, fünf Marlboro.
    Mittags eine Kiwi, einen Gyrosteller von Georgis in der
Dorstener Straße, rohe
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