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Boys Dont Cry

Boys Dont Cry

Titel: Boys Dont Cry
Autoren: Malorie Blackman
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Collettes gerunzelte Stirn vor mir.
    »Na ja, Mel ist zu ihrer Tante gezogen, da dachte ich …«
    »Woher weißt du das?«
    »Mel hat’s mir gesagt.«
    »Wann?«
    Verdammt. »Ähm … vor einer Weile.«
    »Warte mal, du warst doch damals mit ihr zusammen, stimmt’s? Warum bist du auf einmal so scharf drauf, sie zu erreichen?«
    »Aus keinem bestimmten Grund«, gab ich schwach zurück. »Ich habe nur an sie gedacht, mehr nicht.«
    »Komisch, dass du gerade jetzt plötzlich an sie denkst«, bemerkte Collette.
    »Also, hast du eine Ahnung, wie ich mich mit ihr in Verbindung setzen kann?«, hakte ich nach, bemüht, meine Ungeduld zu zügeln.
    »Nö. Tut mir leid, Dante. Keinen blassen Schimmer.«
    »Oh, okay. Kennst du dann jemanden, der es vielleicht wissen könnte?«
    »Nein. Soweit ich weiß, ist Melanie mit niemandem in Kontakt geblieben.«
    Verdammt. Was sollte ich jetzt bloß tun?
    »Hast du deine Prüfungsergebnisse schon?«, erkundigte sich Collette.
    »Ja. Viermal A mit Stern«, tat ich leichthin ab.
    »Super. Gratuliere. Aber ich wusste ja sowieso, dass die Prüfungen für dich ein Spaziergang sein würden, Mister Superschlau aus der Einsteinstraße!«
    »Danke für das Kompliment.«
    Was sollte ich bloß tun?
    »Und?«, soufflierte Collette.
    »Was?«
    »Interessiert dich denn nicht, wie ich abgeschnitten habe?«, fragte sie. Sie klang ein bisschen gereizt.
    »Doch, klar. Wollte dich gerade fragen. Hast du die Noten, die du dir gewünscht hast?«
    »Ja. Dreimal A mit Stern und einmal A.« Die Wärme in Collettes Stimme ließ mich kalt. »Wir gehen also auf dieselbe Uni. Verschiedene Fachbereiche, aber dieselbe Uni. Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Ich auch nicht«, gab ich matt zurück.
    Collette und ich hatten uns eher zufällig an derselben Universität beworben. Sie wollte Informatik studieren und später einmal Computerspiele entwickeln. Ihr schwebte eine Laufbahn vor, die ihr Ansehen und Wohlstand verhieß. Laut Collette verdiente ihre ältere Schwester Veronica als Sozialarbeiterin nämlich einen Hungerlohn und das in einem absolut undankbaren Job. Es klang nicht sonderlich ansprechend.
    »Die falsche Berufswahl meiner Schwester ist mir eine Lehre«, hatte Collette mehr als einmal verkündet.
    Und ich? Seit Mutters Tod hatte ich nichts anderes werden wollen als Journalist. Unsere Wunschuniversität war über zweihundertvierzig Kilometer entfernt, was mir nur entgegenkam. Ich konnte es kaum erwarten, von zu Hause auszuziehen und unabhängig zu sein. Und noch mehr freute ich mich ehrlich gesagt darauf, dass ich mir dann nur noch aus der Ferne über Adam den Kopf zerbrechen musste. Er war mein Bruder und lag mir am Herzen – aber er war einfach verdammt anstrengend.
    »Das wird so super werden«, schwärmte Collette. »Du kommst aber morgen Abend schon mit zum Feiern, oder? Es wird lustig sein, noch einmal die ganzen Leute zu sehen, bevor wir uns in alle Winde zerstreuen.«
    »Bei mir klingelt es«, log ich. »Muss aufmachen. Wir reden später.« Ich beendete das Gespräch, ehe Collette etwas darauf erwidern konnte.
    Was sollte ich bloß tun?
    Irgendwas musste ich unternehmen … Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Dad und Adam wären sicher bald von der Ärztin zurück. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, um einen Ausweg aus diesem Schlamassel zu finden. Vielleicht … vielleicht konnte ich es verstecken, bis ich Melanie aufgespürt hatte?
    Was für eine schwachsinnige Idee. Wie um alles in der Welt sollte ich ein Baby verstecken? Ich konnte einfach keine vernünftige Ordnung in meine Gedanken bringen. Vorher war mir das noch nie aufgefallen, aber Panik war ein lebendes, atmendes Etwas, das sich nun in meinem Körper eingenistet hatte und unbarmherzig Besitz von ihm ergriff. Ich öffnete die Küchentür.
    Wenigstens hatte das Baby inzwischen zu schreien aufgehört.
    Verdammt. Schiefgewickelt. Offenbar hatte es nur eine Verschnaufpause eingelegt, um Kraft zu schöpfen und seine Lungen neu zu füllen, denn jetzt brüllte es noch lauter als zuvor. Wieder schloss ich die Küchentür.
    Die nächsten zehn Minuten hing ich am Telefon. Ich rief Freunde an und Freunde von Freunden, um irgendjemanden zu finden, der mir Hinweise über Melanies Verbleib geben könnte. Ohne Erfolg. Nachdem sie von der Schule abgegangen war, hatte sie nicht nur mit mir den Kontakt abgebrochen, sondern mit sämtlichen gemeinsamen Bekannten. Schließlich musste ich mich geschlagen geben. Wer sich überhaupt noch an sie
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