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Bostjans Flug - Roman

Bostjans Flug - Roman

Titel: Bostjans Flug - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Rasen vor dem Haus lag modriges Stroh zum Lüften und Trocknen ausgebreitet. Bei seinen Umkreisungen machte der Gendarm extra einen Bogen und stampfte mitten durch das Stroh, scharrte es mit seinen Stiefeln auseinander und streute es umher. Kein Zweifel, er zog ein Netz über das Haus, um es darin wie in einem Sack zu verschnüren. Ugav selbst nahm sich das Innere des Hauses vor, mit polterndem Schritt drang er ein und pflanzte sich vor der Mutter auf, die gerade den Teig auf das Blech legte. Er unterbrach sie mitten in der Arbeit, Boštjan sah, wie ihre mehligen Finger stockten und starr wurden. Sie konnte den Laib nicht mehr ins Backrohr schieben, dafür blieb keine Zeit, zu gebieterisch war Ugavs Stimme und zu laut, höchste Eile war geboten, so überstürzt war der Vorgang, unaufschiebbar und unvermeidlich. Der Teig gärte weiter, sackte ein und fiel zusammen, als der Gendarm das Blech zur Seite stieß. Mit harten Schritten ging er die Räume ab, durchstöberte alle Ecken, schaute auch immer wieder in die Kammer, wo die kranke Großmutter lag, während er, mit den Insignien der Macht rasselnd, die an seinem Gürtel hingen, und zur Eile treibend, die Mutter im Auge behielt, die sich zögernd zum Gehen bereitete, nicht wissend, daß es schwer
lich Gutes bringt, wenn der Gendarm mit dem Finger winkt. Boštjan erkannte die bösen Absichten des Gendarmen, wußte aber nicht, wie er diese Entdeckung unauffällig der Mutter mitteilen sollte, seinen Schrecken und seine Befürchtung, um sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen und sie davor zu bewahren, auf die List des Gendarmen hereinzufallen. Ugav wurde lauter, weil sich die Mutter zuviel Zeit ließ, ihre Sachen in der Tasche zu verstauen; der Begleiter zog noch immer seine Kreise, um dem Haus hinterrücks die Luft abzuschnüren, um es zu verwünschen und in das ungeheuerliche Strähnengeflecht zu winden, das er am Ende mit einem raschen Griff festband. Boštjan schien es, als müßten sie ersticken, als würde der enge Sack alle, mitsamt Ugav, zugrunde richten, allen den Atem benehmen.
    Ugav benahm er nicht den Atem, weder damals noch später. Als die Kriegswirren vorbei waren und noch ehe die Soldaten zurückkehrten, mit einem Bein und ohne Hände, mit Schulterbrüchen und eingebundenen Köpfen, schnallte er sich seine Siebensachen vom Gürtel, machte sich aus dem Staub und verschwand aus der Gegend, nachdem er dort seinem Wahnsinn freien Lauf gelassen, den Ort bearbeitet und nichts als Verwüstung angerichtet hatte. Am anderen Ende des Landes stellte er sich ein Haus auf, eine Gaststätte am See, stülpte den Kragen hoch, ließ sich einen Bart wachsen und begann unter einem anderen Namen ein neues Leben. Die Gendarmen brachte der Strähnenwirbel nicht um, nur die Mutter verfing sich darin, sie nahmen sie mit sich fort und verließen das verwunschene Haus, stürmten schnurstracks über den Hohlweg hinunter in Richtung Markt, ohne es aus dem Gespinst loszuwickeln oder auch nur eine Schnur zu lockern. Ist so etwas billig und recht?
Bis dahin war Licht im Hause, die Mutter trug es von Zimmer zu Zimmer, goß es von Gefäß zu Gefäß, Entschlossenheit und Kraft strömten aus ihren Schritten, wuchsen von Schwelle zu Schwelle, und draußen riefen ihre Hände ein ruhiges Flackern auf den Garten und den Acker, ein wohltuendes Wogen, ein Gefühl von Heimatlichkeit auf den Hofplatz herab. Jetzt ist das Licht erloschen, die Niedergetretenen gehen zugrunde, schwer wird es ohne sie, die Dämmerung hat alles erfaßt, und niemand weiß, wohin sie sich wendet. Woher die Ausdauer nehmen und die Festigkeit, woher den Regen und den Tau für die Natur, wie wird nun der Mond durch das Fenster finden, wer bringt Ordnung in das Chaos dieses Lebens? Wer wird jetzt das Obst schütteln und zum Abliegen tragen, damit es die Herbheit dieser Berge verliert? Wer wird die Äpfel einlagern, wer wird das Sterzmehl linden, wer wird die Erdäpfel und die Rüben einmieten, wer wird den Wintervorrat graben, wer das Kartoffelkraut verbrennen und wer die sieben Regenbogenfarben deuten?
    Erst am Tag danach wuchs sich das unheimliche Gespinst wirklich aus, trugen die Nachstellungen der Gendarmen Früchte, erst am Tag danach ereilte ihn der Schmerz: Verloren und verwirrt lief Boštjan um das leere Haus, ahmte das Wickeln des Gendarmen in der Gegenrichtung nach, um auf diese Weise das Getane umzudrehen und rückgängig zu machen, das heimtückische Geflecht aufzuknüpfen und loszuwinden, das Netz von den
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