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Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Titel: Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Autoren: Luc Deflo
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schaffen macht.
Deleu griff nach seinem Notizheft und klemmte es zwischen Lenkrad und Oberschenkel. Er kritzelte »Schloss untersuchen« und warf das Heft auf den Beifahrersitz.
Ein Einschussloch über der Tür. Ist der Junge in Panik geraten und hat auf den Mörder geschossen, in dem Moment, als er die Tür öffnete? Was hätte Rob in einer solchen Situation getan? Würde mein achtzehnjähriger Sohn einfach drauflosschießen? Hätte ich selbst auf den Eindringling geschossen? Ohne nachzudenken, ohne Skrupel? Oder hätte ich erst abgewartet? Angst. Schweißnasse, klamme Hände. Todesangst.
    Deleu schlug die Hand vor die Augen und spähte zwischen den Fingern hindurch. Dann fuhr er sich mit der flachen Hand über das Gesicht.
    Der Mörder klingelt. Der Junge öffnet die Tür. Er wird bedroht und weicht zurück. Er gerät in Panik und schießt. Er trifft nicht. Keine Blutflecken in der Nähe der Tür. Was dann? Dann ist es zu spät! Der Angreifer reißt den Arm des Jungen hoch und sticht zu. Kraftvoll und zielstrebig. Erbarmungslos. Gefühllos.
    Deleu umklammerte das Lenkrad.
Aber wo ist die Schusswaffe? Die hat der Täter mitgenommen. Warum? Wieso bringt jemand einen achtzehnjährigen Jungen um?
Er fuhr mit dem Zeigefinger über seine Achsel und leckte daran. Es schmeckte salzig. Dann schlug er mit der Faust auf das Lenkrad.
    Deleu parkte seinen Golf vor dem blauen Tor der ehemaligen Polizeidienststelle. Der Bordstein trug noch immer eine gelbe Markierung. Vor der Hausnummer sechsundsiebzig auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Mann mit Fotoapparat im Anschlag. Er kniete sich hin und nahm sorgfältig das kleine Haus ins Visier, von dessen Fensterläden die Farbe abblätterte, als sei es ein bedeutendes historisches Bauwerk. Deleu stellte sich den ehemaligen Wohnsitz eines Heimatdichters vor, mit verbeulten Kupfertöpfen, einem offenen Kamin, den dazugehörigen verrußten Garkesseln und gestickten Sinnsprü-chen über den niedrigen Türen. Dazu einen Federkiel. Einen Federkiel in einem geschnitzten Federhalter. Ein überdimensional großer Kiel, der in der Feder irgendeines tropischen Vogels steckte. Deleu graute vor dem kommerziellen Klischee.
    »He! Was machen Sie da?«
    Der Mann, der aussah wie ein Hund mit einem Hut auf dem Kopf, drehte sich langsam um.
    »Hä?«
    »Was machen Sie da?«
    »Ich arbeite.«
    »Ach ja? Das Mietshaus einer x-beliebigen Migrantenfamilie – wirklich ein tolles Motiv!«
    »Red keinen Quatsch und geh weiter! Ich war zuerst da! Die bekommen wir sowieso heute nicht mehr zu Gesicht. Ich stehe jetzt schon seit einer Stunde hier herum. Für welche Zeitung arbeitest du, Kumpel? Dich kenn ich noch gar nicht.«
    »Woher wissen Sie, dass es hier etwas zu holen gibt?«, fragte Deleu zurück und ignorierte die Frage des anderen. Der Mann grinste. Er hatte außergewöhnlich große Eckzähne. Irgendwie passend.
    »Bist du Freiberufler?«, brummelte er.
    »Laatste Nieuws«
, behauptete Deleu.
    »Fest angestellt?« Der gelangweilte Blick des Mannes wich einem misstrauischen Gesichtsausdruck.
    Deleu nickte.
    »Wow. Volltreffer. Ich bin Freiberufler. Hey, Mann, wir sollten zusammenarbeiten! Du schreibst den Text, ich schieße die Fotos!«
    »Woher wussten Sie, dass es hier …«
    »Polizeifunk«, blaffte der Mann mit dem Hundegesicht. »Ach so, okay«, sagte Deleu und klang, als gebe er nach. »Du die Fotos, ich das Interview. Die Aufnahmen müssen allerdings erste Sahne sein.«
    Der Mann richtete entschlossen seine wuchtige Nikon F4 auf das Haus. Deleu beugte sich nach vorn und klingelte, doch selbst nach dem vierten Mal wurde nicht geöffnet. Er drehte sich um und zuckte gelassen die Achseln. In dem Moment ging die Haustür einen Spalt auf. Der Ermittler trat einen Schritt nach vorn und gab sich wirklich redlich Mühe, die Türöffnung vor dem Paparazzo abzuschirmen, indem er sich so breit wie möglich machte.
    »Monsieur Benaoubi?«, fragte Deleu auf Französisch, in der Annahme, dass die Familie nicht gut Niederländisch sprach.
    »
Oui

    »Polizei.« Er zeigte seinen Ausweis. »Es geht um Ihre Tochter.«
    »Kommen Sie rein«, sagte der Mann, ein Marokkaner um die fünfzig mit grauen Schläfen. Er blinzelte ein paar Mal und stützte sich schwer atmend auf der Kupfertürklinke ab. Hinter Deleus Rücken unternahm der Möchtegernfotograf alle möglichen Verrenkungen, um irgendwie eine Aufnahme zu ergattern.
    Deleu drehte sich mit einem hämischen Grinsen zu ihm um. »Versuch es mal bei
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