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Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Titel: Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Autoren: Luc Deflo
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schaute Vanderkuylen an. Sein fröhliches Gesicht mit den hervorstehenden Zähnen und den geröteten Wangen verlieh dem vierundvierzigjährigen Ermittler einen jungenhaften Charme.
    »Hm … Wer hat ihn gefunden?«
    »Seine Schwester. Die Arme war völlig verstört. Wir haben vorgeschlagen, sie ins Krankenhaus bringen und psycho-logisch betreuen zu lassen, aber die Mutter hat es verhindert. Sie ist jetzt zu Hause. Wir haben den Eltern geraten, wenigstens den Hausarzt kommen zu lassen. Würdest du es ihnen bitte noch mal sagen, wenn du hinkommst, Dirk? Die ersten Stunden sind meistens entscheidend.«
    Deleu nickte und rieb sich steif mit dem Taschentuch den Hals. Blitzschnell drückte er es wieder an die Nase. Vanderkuylen grinste.
    »Was ist?«, fragte Deleu gereizt. »Hat’s dir den Geruchssinn weggeätzt?«
    »Nein, der ist mit weggeschlagen worden«, erwiderte Vanderkuylen und bog die Nasenspitze bis auf die Wange. Von der Treppe her hörten sie metallisches Klappern. »Die Ameisenbären sind da«, stellte Vanderkuylen fest.
    Deleu ließ den Blick noch einmal über den toten Jungen wandern. Er wusste, dass er an diesen Ort des Unheils zurückkehren würde. Allein. Wenn hier nur noch ein makaberer Kreideumriss zu sehen sein würde. Eine leere Hülle. Er inspizierte das mindestens vier Zentimeter breite Einschussloch über der Tür. Auf dem Fliesenboden lagen Gipsbröckchen.
    Als der Ermittler zur Tür ging, betrat der letzte Kriminaltechniker den Raum, ein kräftiger, glatzköpfiger Mann mit einem flachen Samsonite-Koffer. Er trug eine Chirurgenmaske vor Mund und Nase. Deleu warf dem Jungen auf dem Boden einen letzten Blick zu.
    »Jef?«
    »Ja, Dirk?«
    »Bitte kümmere dich darum, dass die Kugel und die Einschlagstelle gründlich untersucht und vermessen werden.«
    Vanderkuylen stand bereits heftig gestikulierend am Spülbecken, auf dem der kahle Spurensucher seinen beeindruckenden Koffer aufklappte. Er warf Deleu einen giftigen Blick zu, doch der bemerkte es nicht einmal. Er war ganz auf den toten Jungen fixiert.
    Irgendetwas stimmt nicht an dieser Szenerie. Nur was?
Vanderkuylen zog die Schranktür unter der Spüle auf. An der Sperrholztür war mit zwei Schrauben ein Metallring befestigt.
Daher stammen also die beiden Spitzen, die aus dem Holz hervorragen.
Um den Ring war ein halbvoller Müllsack gespannt, der an einer Seite herunterhing. Die Buchstaben INCOVO leuchteten im Halbdunkel auf.
    »Und keinen Müll wegwerfen, okay, Jef?« Vanderkuylen rollte die Augen zur Decke und wollte eine passende Bemerkung darüber fallenlassen, aber Deleu war schon weg.
    Seufzend lief er die Treppe hinunter.

[home]
    10
    W ährend Deleu in der Garage die Harley bewunderte, betrachtete Johnny Vanderauwera, Langzeitarbeits-loser und pensionierter Hell’s Angel, den Revolver des toten »Kanaken« – wie er ihn in Gedanken bezeichnete –, als handle es sich um eine seltene Reliquie. Mit respektvollem Blick drückte er den Entriegelungsmechanismus rechts oberhalb des Griffs. Der Schnelllader fiel zu Boden. Vanderauwera versuchte, ihn aufzufangen, griff ins Leere, lachte nervös und hob ihn auf. Er hielt die Trommel vor das rechte Auge und kniff das linke zu. Drei der sechs Patronenhülsen wiesen in der Mitte eine Vertiefung auf. Drei volle und drei leere Hülsen. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wie man die Dinger herausbekam. Er drückte auf den kurzen, kräftigen Stift hinten an der Trommel, und die Patronenhülsen wurden um einen halben Zentimeter heraus ge scho ben. Johnny Vanderauwera grinste, so dass man seine kariösen Zähne sah, und trank noch einen Schluck von dem J&B. Der Whisky war lauwarm. Seitdem er das zugefrorene Eisfach mit dem Schraubendreher malträtiert hatte, trank er keinen Whisky on the rocks mehr.
    Mit einem Klicken drückte er die Trommel wieder hinein. Es gelang ihm gleich beim ersten Mal. In Mechanik war er schon immer ein Ass gewesen. Zwar konnte er kaum zwei und zwei zusammenzählen, aber alles, wirklich alles, was er auseinandernahm, konnte er auch wieder zusammenbauen. Seine Harley wartete er seit Jahren selbst.
    Während er die Smith & Wesson in der Hand wog und den Kolben befühlte, schloss er die Augen. Die Phantasie ging mit ihm durch, und er stieß ein leises, langgezogenes Stöhnen aus. Er öffnete das rechte Auge, zielte auf das Transistorradio in Form einer Heritage Softtail, kniff das linke Auge zu und schnalzte mit der Zunge. Wie in einem billigen Westernfilm blies er den
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