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Bony und der Bumerang

Bony und der Bumerang

Titel: Bony und der Bumerang
Autoren: Arthur W. Upfield
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Ich werde vergessen, daß sie jemals existiert haben. Mit Sinclairs Tod ist der Fall juristisch abgeschlossen. Was aber Ralph anbelangt, so werden Sie ihn nie ganz zurückgewinnen können. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Vielleicht wird er eines Tages für ein paar Wochen zu Ihnen zurückkehren, weil er von Nelly nichts mehr wissen will, aber der Busch wird ihn immer wieder zurückholen. Ich schicke Ralph heute abend zu Ihnen, nachdem ich ihn über alles unterrichtet habe.«
    Plötzlich kam Leben in Little Lady. Sie blickte Bony an, und ihre Augen leuchteten hoffnungsvoll. Der Inspektor erhob sich. Auch Mrs. Thornton stand auf, war mit wenigen Schritten bei ihm.
    »Haben Sie tatsächlich gesagt, Sie würden Ralph zu mir schicken, Bony?« rief sie erregt, legte ihre Hände auf seine Schultern und blickte ihm forschend in die Augen.
    »Gewiß, Madam«, erwiderte Bony leise. »Ich habe heute morgen die Hütte der beiden entdeckt. Ich werde jetzt hingehen und dem Jungen alles erklären. Geben Sie sich aber nicht der falschen Hoffnung hin, er würde bei Ihnen bleiben. Doch ich verspreche Ihnen, daß er heute noch zu Ihnen kommt.«
    Plötzlich tat die stolze, damenhafte Frau des Schafzüchters etwas, was man ihr nicht zugetraut hätte. Sie küßte einen Mischling auf den Mund.
    »Ach Bony!« murmelte sie. »Ich bin eine kranke Frau, schon seit vielen Jahren. Die heftigsten Vorwürfe hätte ich von Ihnen verdient, doch jedes Ihrer Worte verriet Verständnis und Mitgefühl. Ja, ich habe Marys Baby über alles geliebt. Hätte der Herrgott doch nur mein Kind am Leben gelassen!«
    Little Lady legte ihren Kopf gegen die Schulter des Inspektors. Als sie den Mischling wieder ansah, hatte sich ihr Blick verschleiert, und sie wankte.
    »Bringen Sie mich zum Stuhl zurück«, hauchte sie. »Ein Glas Wasser, bitte.«
    Der Schafzüchter war sofort bei ihr und trug sie zum Sofa, wo Kate bereits die Kissen zurechtrückte. Dugdale hatte inzwischen ein Glas Wasser geholt, und Little Lady trank, als sei sie am Verdursten.
    »Setzt euch bitte«, stieß sie schließlich schweratmend aus. »Ich habe euch etwas zu sagen. Nur noch einen Augenblick – mein Herz –«
    Kate betupfte die Schläfen ihrer Tante mit einem feuchten Taschentuch, während die anderen zögernd Platz nahmen.
    »Ich habe in meinem Leben viele Schlachten schlagen müssen und sie alle gewonnen«, begann Little Lady schließlich, doch ihre Augen blieben geschlossen. »Heute erlebe ich mein Waterloo. Genau wie der große Kaiser der Franzosen habe ich die Freuden des Lebens kennengelernt, und genau wie er stürzte ich, als ich den Höhepunkt erreicht hatte. Sein Feind war der Mensch – mein Feind ist die Natur.«
    Sie schwieg kurz, und als sie weitersprach, schien sie im Traum zu reden.
    »Ich sehe alles so deutlich vor mir, als sei es erst gestern gewesen. Es war ein warmer Nachmittag. John war in der Schreinerei, wo der Tischler den Sarg für unser totes Baby anfertigte. Die Fenster standen weit offen. Nur die verschlafenen Rufe der in der Hitze dösenden Vögel und das Brummen der Insekten drang herein. Und ich lag todunglücklich auf meinem Bett. Plötzlich kam Martha ins Zimmer. Sie meldete mir, daß Mary stumm und reglos in ihrem Bett läge – und nun hatte sie Angst. Martha stützte mich, und wir gingen in Marys Zimmer, wo ich neben ihr auf das Bett sank. ›Mary, was ist mit Ihnen?‹ fragte ich, doch sie schwieg, konnte wohl nicht antworten. Und dann – es geschah ganz impulsiv – nahm ich ihr Baby in die Arme und küßte es. In diesem Moment öffnete Mary die Augen und lächelte uns an. ›Möchten Sie den Kleinen haben?‹ flüsterte sie. ›Ach Mary, wenn Sie wüßten wie sehr ich mich nach einem Kind sehne, würden Sie gar nicht erst fragen‹, erwiderte ich bedrückt. ›Dann nehmen Sie ihn. Oh, Madam! Ich liege im Sterben. Aber lassen sie ihn nie wissen, wer seine Eltern sind.‹ Mary lag lange Zeit völlig still, und ich dachte schon, sie sei gestorben. Doch dann öffnete sie plötzlich die Augen.
    ›Madam, sein Vater ist König Henry!‹ sagte sie, und ihre Stimme klang ganz klar. Ich konnte es nicht fassen. Die Haut des Babys war genauso weiß wie meine eigene; als ich wieder auf Mary blickte, war sie tot.«
    Die Little Lady schwieg und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
    »Martha brachte Marys Baby und mich auf mein Zimmer«, erzählte sie weiter. »Ich veranlaßte Martha, mein totes Kind neben die tote Mary zu legen. Als John kam, erzählte ich
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