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Bony und der Bumerang

Bony und der Bumerang

Titel: Bony und der Bumerang
Autoren: Arthur W. Upfield
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Thorntons Schlafzimmer so ziemlich alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Unter anderem stahl er einen Bumerang. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß es sich dabei um den Bumerang handelt, mit dem König Henry getötet wurde. Nun muß entweder Martha am Tatort gewesen sein und den Bumerang Mrs. Thornton gegeben haben, oder Mrs. Thornton hob ihn selbst auf.«
    Bony schwieg kurz und fuhr sich mit der Hand über das Kinn.
    »Doch nun zu Ralph. Wie viele Mischlinge hatte er als Kind eine weiße Hautfarbe. Mir ging es ebenso. Sobald er aber vom College in den Busch zurückkehrte, wurde sein Teint immer dunkler. Dies ging schneller als die charakterliche Veränderung. Ich beobachtete diese Veränderungen, ohne zunächst den Grund zu erkennen. Sehr bald schon legte Ralph die gepflegte Aussprache ab, die er auf dem College gelernt hatte. Er verstand ausgezeichnet, Spuren zu lesen. Ich erinnere nur an den Dingo. Und denken Sie an den Nachmittag am Thurlow Lake, wo er ein Wildpferd zuritt, bis es tot zusammenbrach. Dann seine plötzliche Vorliebe für grelle, bunte Farben. Ralph ist schuldlos, er konnte dem Ruf des Busches nicht länger widerstehen. Er war mit dem hübschesten Mädchen der ganzen Gegend verlobt, sollte eine riesige Schaffarm erben – und doch verliebte er sich in ein Eingeborenenmädchen. Mr. Dugdale hat ihm deshalb Vorwürfe gemacht. Ich habe mit Nelly gesprochen, und sie ging zur Three Corner Station. Aber Ralph erfuhr ihren Aufenthaltsort und schrieb ihr leidenschaftliche Briefe. Da konnte dieses unschuldige Naturkind seinem Drängen nicht länger widerstehen.«
    Der Inspektor musterte Mrs. Thornton mitfühlend.
    »Machen Sie dem Jungen keine Vorwürfe, Little Lady. Er kann nichts dafür, daß das Erbe seiner schwarzen Ahnen stärker ist als alle Vernunft. Und auch Sie dürfen ihm dies alles nicht nachtragen, Mr. Thornton. Könnten Sie glücklich sein, wenn Sie plötzlich in der Großstadt leben sollten? Hält nicht auch Sie der Zauber des Busches gefangen? Und auch Sie dürfen ihm nicht grollen, Miss Flinders. Ohne es zu wissen, hätten Sie einen Mischling geheiratet. In einem halben Jahr wird Ralph eine ebenso dunkle Hautfarbe haben wie ich. Deshalb war es meine Pflicht, Ihnen allen die Wahrheit zu sagen. Auch Sinclair erkannte diese Pflicht, denn er schrieb, kurz bevor er starb, noch einen Brief an Mrs. Thornton. Hier ist er.«
    Der Inspektor zog einen Brief aus der Tasche.
    »›Liebe Mrs. Thornton‹«, las er vor. »›Ich habe nur noch wenige Stunden zu leben. Freunde haben mich mit Nahrungsmitteln versorgt, aber nun hat mich Knowles doch erwischt. Und hätte mich der Sergeant nicht gefunden, dann bestimmt einer seiner Leute. Erst gestern erfuhr ich, daß sich Ihr Adoptivsohn mit Miss Flinders verlobt hat. Doch das dürfen Sie nicht zulassen. Es wäre ein Unrecht gegen Miss Flinders. Sagen Sie ihr die Wahrheit – dann soll sie selbst entscheiden, ob sie Ralph noch heiraten will. Wir waren unser ganzes Leben lang arme Leute, aber Ehre und Wahrheit gingen uns Sinclairs über alles. Entscheiden auch Sie sich für die Wahrheit. Verschließen Sie Ihre Augen nicht vor der Wirklichkeit – auch nicht aus falsch verstandener Liebe zu Marys Kind. – Jetzt sind Sie sicher, Little Lady. Nur dies eine fordere ich in der Stunde des Todes noch von Ihnen: Lassen Sie nicht zu, daß Ralph ein weißes Mädchen heiratet. – In alter Treue Ihr William Sinclair.‹«
    Bony faltete den Brief und steckte ihn zusammen mit dem Brief, den Mrs. Thornton an Sinclair geschrieben hatte, in den Umschlag zurück.
    Reglos, mit wächsernem Gesicht, saß Little Lady da. Niemand vermochte zu sagen, was hinter dieser maskenhaften Stirn vorging. Der Schafzüchter war kaum wiederzuerkennen. Zusammengesunken kauerte er neben seiner Frau. Nur Kate wirkte noch wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, und Bony beobachtete, daß ihre Augen feucht glitzerten.
    »Es kommt mir nicht zu, Ihr Verhalten zu kritisieren, Mrs. Thornton«, fuhr der Inspektor mit leiser Stimme fort. »Nur eine Frau kann verstehen, wozu eine Frau aus Liebe zum Kind fähig ist. Meines Erachtens wäre nur eins zu beanstanden: Sie hätten Ihrem Mann unbedingt sagen müssen, daß König Henry Ralphs Vater war. Dann wäre es für Mr. Thornton auch keine so schmerzliche Überraschung gewesen, als Ralph mit einem Eingeborenenmädchen in den Busch zog. Wie gesagt, meine Aufgabe ist damit beendet. Die Briefe gehören jetzt
    Ihnen, Little Lady. Vernichten Sie sie.
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