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Bony und der Bumerang

Bony und der Bumerang

Titel: Bony und der Bumerang
Autoren: Arthur W. Upfield
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Ted Rogers reitet dort oben Pferde zu.«
    »Er ist immer noch dort?« Der junge Mann machte zum erstenmal den Mund auf.
    »Ich habe es doch wohl gesagt, oder?« meinte Clair nachdenklich.
    Die Unterhaltung schleppte sich dahin. Clair und der junge Eingeborene rauchten, der Alte kaute den Tabak. Schließlich stellte Clair die Frage, die er im Laufe vieler Jahre in zahllosen Camps gestellt hatte. Niemand, auch nicht der mißtrauischste Eingeborene, hätte gemerkt, daß der Weiße nur deshalb gekommen war.
    »Ich kannte mal einen Eingeborenen. Er war ein außergewöhnlich guter Reiter. Hieß Prinz Henry. Moment, nicht Prinz – aber so ähnlich. Ein großer, kräftiger Kerl. Kennt ihr einen Eingeborenen, der so ähnlich heißt?«
    »Nicht Prinz Henry«, antwortete Pontius Pilatus, und sein ebenholzfarbenes Gesicht nahm die Würde eines Häuptlings an. »Du vielleicht meinen König Henry?«
    Kein Muskel in Clairs Gesicht zuckte, keine Regung verriet sein Interesse.
    »Vielleicht ist er es«, sagte er betont gleichgültig. »Er arbeitete mal hier auf Barrakee.«
    »Das ist er, Boss«, bestätigte der Alte. »König Henry, Neds Vater. Das hier ist Ned – der Sohn von König Henry.«
    »Oh!« Clair musterte den jungen Mann. »Und wie heißt deine Mutter, Ned?«
    »Sarah Wanting.«
    »Hm! Sarah scheint die Abwechslung zu lieben.«
    »Ach, Sarah verlassen Old Mokie wieder, weil König Henry zurück«, erklärte Pontius Pilatus, stolz ob dieses Wissens.
    »Aha!« Der Hagere seufzte. »Dann ist dein Vater also in der Nähe, Ned?«
    »Ja. Er gekommen aus North Queensland.«
    »Was hat er denn dort oben gemacht? Ich dachte, er stammt vom Darling?«
    »Weiß nicht«, antwortete der Alte, doch im nächsten Moment widersprach er sich selbst. »Er auf Flucht vor weißem Mann. Weißer Mann ihn wollte töten. Aber nun weißer Mann tot.«
    »Oh! Dann hat er also wieder freie Bahn, wie?« Und nun kam die Frage, die Clair vor allem interessierte. »Und wo ist König Henry jetzt?«
    »Er unten in Menindee. König Henry kam Fluß herauf mit Sarah. Wohnen jetzt hier im Camp.«
    Regelmäßig quoll der Tabakrauch aus dem Mund des hageren Mannes. Er hatte die Lider gesenkt, und keiner der beiden Eingeborenen bemerkte das triumphierende Aufleuchten seiner Augen. Nach kurzem Schweigen wandte er sich einem anderen Thema zu. Zehn Minuten später erhob er sich und verließ das Camp.
    Lautlos ließ er das Boot ins Wasser gleiten und kletterte hinein. Er ruderte zum gegenüberliegenden Ufer und ließ sich von der Strömung im Schatten der Eukalyptusbäume zur Anlegestelle zurücktreiben.
    Eine halbe Stunde später saß er vor dem Schurschuppen an seinem Lagerfeuer, trank schwarzen Tee und aß eine Scheibe Kuchen. Und dabei summte er eine Melodie – das blutrünstige Kriegslied eines Eingeborenenstammes.
    »Well!« murmelte er. »Dann bin ich nach jahrelanger Jagd meinem Wild doch noch auf die Spur gekommen.« Er beschloß, gleich am Morgen zu Mr. Thornton zu gehen und um Arbeit zu bitten.
    Mrs. Thornton war klein; sie wirkte zart und zerbrechlich, was allerdings nicht recht zutraf. Mit dreiundvierzig Jahren strahlte ihre ganze Erscheinung immer noch jugendliche Frische und Energie aus.
    An dem Morgen, der auf William Clairs Besuch im Eingeborenencamp folgte, saß sie auf der breiten Veranda des Herrenhauses von Barrakee. Tiere und Pflanzen schienen in der Hitze zu schlummern, lediglich das Stampfen der Pumpen unterbrach die tiefe Stille.
    Immer wieder blickte Mrs. Thornton durch die Blätter der Purpurwinden, die der Veranda kühlen Schatten spendeten, und beobachtete den Mann im blauen Hemd, der am anderen Ende der Rasenfläche mit einem Spaten die Erde der Orangenbäume auflockerte. Sie konnte nicht erkennen, wer es war, und das machte sie nervös.
    Als der Personalkoch das zweite Frühstück ankündigte, indem er gegen den schweren Eisentriangel schlug, verschwand der Mann. Die Herrin von Barrakee ließ das Nähzeug in den Schoß sinken, und ihre braunen Augen nahmen einen nachdenklichen Ausdruck an.
    Kurz darauf ertönte der Hausgong, und Mrs. Thornton wandte sich seufzend wieder der Näharbeit zu. Schwere Schritte näherten sich auf dem Holzfußboden der Veranda, und um die Ecke bog eine unglaublich fette Eingeborene. Sie walzte auf die zierliche Farmersfrau zu und setzte das Tablett auf einem kleinen Tisch ab.
    Mißbilligend blickte Mrs. Thornton in das strahlende Gesicht der Eingeborenen, der ›Gin‹, wie man sie in Australien nennt. Sie
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