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Bony und der Bumerang

Bony und der Bumerang

Titel: Bony und der Bumerang
Autoren: Arthur W. Upfield
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musterte die leuchtend bunte Baumwollbluse, den dunkelblauen Rock, und schließlich die nackten Füße. Ostentativ starrte sie auf die nackten Füße, und die schwarzen Zehen begannen nervös zu zucken. Die Gin rollte mit den Augen, das strahlende Lächeln war verschwunden.
    »Martha, wo sind deine Hausschuhe?« fragte die Herrin von Barrakee vorwurfsvoll.
    »Missis, ich nicht wissen«, murmelte Martha verlegen. »Hausschuhe sind weg.«
    »Martha, seit zwanzig Jahren gebe ich mir Mühe, deine Füße an Schuhe zu gewöhnen«, sagte Mrs. Thornton grimmig. »Ich habe dir Stiefel gekauft, Straßenschuhe und Pantoffel. Ich werde sehr böse, wenn du nicht sofort deine Hausschuhe suchst. Bei uns geht nichts verloren.«
    »Gewiß, Missis. Ich suchen«, versicherte die dicke Negerin. Dann beugte sie sich mit einer in Anbetracht ihrer Körperfülle erstaunlichen Behendigkeit zu ihrer Herrin nieder. »König Henry!« flüsterte sie erregt. »Er zurück. Sie sich erinnern an König Henry?«
    Volle dreißig Sekunden starrten sich die beiden an. Die Farmersfrau wollte gerade etwas sagen, als das Geräusch der zufallenden Gartentür ankündigte, daß ihr Mann zurückgekommen war. Die Eingeborene richtete sich auf und trottete davon. Nur mit halbem Ohr hörte Mrs. Thornton, wie ihr Mann die Gin wegen der nackten Füße ausschimpfte, und Martha verlegen antwortete. Mit einiger Mühe gewann sie die Fassung zurück, und als der Schafzüchter neben ihr Platz nahm, schenkte sie den Tee ein.
    »Martha hat wieder mal die Schuhe verloren!« Er lachte.
    John Thornton war fünfzig Jahre alt, groß und kräftig. Sein glattrasiertes, braungebranntes Gesicht verriet, daß er sich viel im Freien aufhielt. Den klaren, dunkelgrauen Augen entging nichts.
    »Napoleon hat sich auch alle Mühe gegeben, Frankreich zu einer großen Nation zu machen«, meinte die Farmersfrau.
    »Ganz recht«, pflichtete ihr Mann bei und nahm sich etwas Kuchen. Er wußte, daß seine Frau von dem großen Korsen schwärmte. »Aber wie kommst du gerade jetzt darauf?«
    »Jedesmal, wenn er glaubte, sein Ziel erreicht zu haben, brachte England eine neue Koalition zustande. England war für ihn das ewige Schreckgespenst. Für mich sind es Marthas nackte Füße.«
    »Nun, wir dürfen nicht vergessen, daß Martha eine Eingeborene ist«, gab Thornton zu bedenken. »Hast du dich noch nie gewundert, daß sie jetzt zwanzig Jahre bei uns ist, ohne jemals den Drang verspürt zu haben, zu ihrem Stamm zurückzukehren?«
    »Doch, darüber habe ich mich schon gewundert.«
    »Sie ist in dieser Beziehung eine große Ausnahme.« Er zuckte die Schultern. »Doch genug davon. Ich nehme an, du zählst bereits die Stunden?«
    »Und ob! Ralph trifft um elf mit dem Zug in Bourke ein, nicht wahr?«
    »Ja. Gegen drei müßten sie hier sein.«
    »Inzwischen ist er ein Mann geworden«, meinte sie wehmütig.
    »Allerdings. Gestern war sein neunzehnter Geburtstag. In diesem Alter machen sogar fünf Monate einen gewaltigen Unterschied.«
    Nachdem der Schafzüchter seinen Tee getrunken hatte, zündete er sich eine Zigarette an, während seine Frau wieder die Näharbeit zur Hand nahm. Ihr Junge kam vom College nach Hause, und sie hatte große Sehnsucht nach ihm. Es war ein großes Opfer für sie gewesen, als er die letzten Weihnachtsferien bei Freunden in Neuseeland verbracht hatte. Fünf lange Monate hatte sie ihren Jungen nun nicht mehr gesehen.
    »Ich habe schon oft darüber nachgedacht«, unterbrach Thornton das nachdenkliche Schweigen, »ob es nicht besser wäre, Ralph über seine Abstammung aufzuklären.«
    »Nein, John – nein!«
    »Aber eines Tages wird Ralph selbst dahinterkommen, Ann«, gab der Viehzüchter zu bedenken. »Ist es nicht besser, wenn wir es ihm schonend beibringen, als wenn er plötzlich von anderen erfährt, daß er nicht unser Sohn ist, sondern das Kind einer Frau, die hier als Köchin diente?«
    »Dazu besteht weder Grund noch Notwendigkeit«, antwortete sie entschlossen und blickte auf die Nadel. »Seine Mutter ist tot. Der Arzt, der ihn zur Welt gebracht hat, ist ebenfalls gestorben. Du weißt doch, wie krank ich damals war, als Ralph geboren wurde? Krank vor Kummer, weil mein eigenes Baby gestorben war. Und dann übergab Mary mir ihr Kind. Sie sah, wie ich mich darüber freute, es wie mein eigenes Kind an die Brust drückte, und sie starb mit einem Lächeln auf den Lippen.«
    »Aber –«
    »Nein, John – keine Widerrede«, drängte sie. »Er ist jetzt mein Sohn, und mein muß
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