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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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essen, wenn ich sie geschenkt bekäme. Karpfen konnte ich noch nie ausstehen. – Pfui Teufel!«
    »Kois – essen? So etwas Kulturloses und Degoutantes kann auch nur von Ihnen kommen«, versetzte Dr. Hollerbach mit geschürzten Lippen. »Sie haben anscheinend nicht die geringste Ahnung von der japanischen Hochkultur, Sie Barbar! Zur japanischen Kulturgeschichte gehören die Kois genauso wie Zazen, Bonsais, GO, Ikebana …«
    »Und Kamikaze«, konnte sich Tannenberg nicht verkneifen.
    Der Oberstaatsanwalt überging die Bemerkung. »Übrigens erkennt ein Koizüchter jeden seiner Fische an der einzigartigen Zeichnung der Farbmutationen.«
    »Toll! Wirklich toll!«, spottete Tannenberg. Offensichtlich wurde es ihm allmählich zu bunt. »Was soll das hier überhaupt werden? Eine Fortbildung über japanische Fischzucht, oder was?« Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Bin ich denn bescheuert? Ich lass mich hier doch nicht anmachen! Jetzt habe ich aber endgültig die Schnauze voll von diesem albernen Kasperletheater!« Er wandte sich dem Kriminaldirektor zu. »Wenn Sie eine Dienstanweisung für mich haben, faxen Sie sie mir einfach hoch.« Er drehte sich auf dem Absatz um und wollte fluchtartig den Raum verlassen.
    Aber Eberle hielt ihn am Arm fest. »Mensch, Tannenberg, die Sache ist …«
    »Ja, was denn für eine Sache, verflucht noch mal?«
    »Diese Geschichte klingt so verrückt und ist derart delikat, dass man sie eigentlich gar nicht glauben kann – oder glauben will.« Mit leidender Miene holte der Kriminaldirektor tief Luft. »Also gut: Der japanische Ministerpräsident hat mit dem US-Präsidenten ein Treffen vereinbart. Und zwar an dem Tag, an dem er das Landstuhler Krankenhaus besucht. Es geht dabei angeblich um die Bemühungen der Japaner um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Dafür sollen sich die Amis einsetzen.« Er stockte, machte keinerlei Anstalten weiterzusprechen.
    »Ja, und? Was weiter?«, drängte Tannenberg. Genervt klatschte er in die Hände und warf einen flehentlichen Blick an die Zimmerdecke.
    Dr. Hollerbach riss das Gespräch an sich. »Der japanische Ministerpräsident ist ein leidenschaftlicher Koizüchter. Zufälligerweise ist er ein sehr guter Freund und Parteigenosse des Bürgermeisters von Bunkyo-ku, unserer japanischen Partnerstadt. Und über diesen Kontakt ist es gelungen, den Ministerpräsidenten dazu zu überreden …«
    »Wozu?«, knurrte Tannenberg dazwischen.
    »Dazu, unserem Japanischen Garten als besondere Attraktion für das Rahmenprogramm der Fußball-WM seine schönsten und wertvollsten Kois zur Verfügung zu stellen. Und das hat er ja zum Glück auch getan.«
    »Toll. Aber kommen Sie doch jetzt bitte endlich zur Sache.«
    »Bin gerade dabei. Also: Obwohl Japan ja hier im Fritz-Walter-Stadion gespielt hat, war es trotzdem eine unheimlich schwierige Überzeugungsarbeit, die da geleistet werden musste. Er hat sich erst dazu bereit erklärt, nachdem sich der Bürgermeister von Bunkyo-ku persönlich dafür verbürgt hat, dass seinen Lieblingsfischen nichts passiert.« Er seufzte tief auf. »Nach seinem Treffen mit dem US-Präsidenten will er sie mit nach Hause nehmen.« Entsetzt schlug er die Hände vors Gesicht. »Und jetzt sind sie alle weg, alle – heute Nacht gestohlen!«
    »Was? Und wegen dieser hässlichen Fische machen Sie solch ein Gedöns? Ich fass es nicht! Und ich hab die ganze Zeit über gedacht, dass etwas wirklich Schlimmes im Busch ist. Erkenntnisse über einen geplanten Terroranschlag oder so was.« Tannenberg stieß abschätzig den Atem durch seine Nase und wiegte den Kopf. »Ich glaub es einfach nicht.«
    »Also, Sie sind wirklich so was von naiv und borniert«, schimpfte Dr. Hollerbach. »Sind Ihnen die dramatischen Konsequenzen denn nicht bewusst? Haben Sie noch nie etwas von Seppuku gehört?«
    »Sepp-was?« Tannenbergs Stirnhaut glich einem ungebügelten Taschentuch.
    Oberstaatsanwalt Dr. Hollerbach nahm eine theatralische Pose ein und begann zu dozieren: »Seppuku ist die in der japanischen Gesellschaft besonders in der Führungsschicht auch heute noch relativ weit verbreitete Form des rituellen Selbstmordes. Vielleicht haben Sie’s ja in der Zeitung gelesen: Erst vor kurzem hat sich ein Spitzenmanager aus Schande über den Bankrott seiner Firma …«
    »Harakiri?«, sprudelte es aus Tannenbergs Mund.
    »Ja, das ist die bei uns gebräuchlichere Bezeichnung. Aber eigentlich trifft sie nicht …«
    »Sie wollen damit doch nicht
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