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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut
Autoren: Erich Schütz
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die obere Schublade und nimmt eine SIG Sauer Pistole heraus. Ein Nachbau des Klassikers von Dynamit Nobel. Er weiß, dass er in Gefahr ist. Seine Erfindung ist gefragt, sogar von zwielichtigen Gestalten. Aus seiner Erfindung wurde über Nacht ein sogenanntes ›Dual-use-Gut‹. Verwendbar in zivilen Bereichen wie im Krieg.
    »Verdammt, das war nie und nimmer mein Ziel. Ich bin doch kein Rüstungsspekulant!«, wehrt Stengele sich gegen die neuen Erkenntnisse, die ihm die Erfüllung seines Traums, neue Planeten zu entdecken, zerstören könnten.
    Aber gleichzeitig steigt seine Erregung. Seine Tüftelei, von vielen jahrelang verspottet, ist auf einmal die Begierde vieler Staaten. Mit der Bedeutung dieser Erfindung steigt sein Marktwert als Wissenschaftler. Bisher fühlte er sich nicht ernst genommen von seinen Kollegen. Nur weil er das Studium nicht beendet hatte, hatte er immer das Gefühl, sie würden ihn nicht anerkennen. Doch das wird sich bald radikal ändern, freut sich Stengele.
    Dabei streichelt, fast schon zärtlich, seine linke Hand die kalte Sauer Pistole, die er noch immer in der Rechten hält. Er hatte nicht umsonst den Nachbau von Dynamit Nobel gekauft. Vielleicht erging es ihm wie dem Gründer der Dynamit Nobel AG, Alfred Nobel. Auch er wollte in erster Linie nur den Menschen in den Bergwerken unter Tage eine Erleichterung verschaffen. Er wollte einen sicheren Sprengstoff entwickeln und wurde bald zum größten Munitionsproduzenten im Deutschen Reich. »Und zu einem der reichsten«, lacht Stengele selbstzufrieden in sich hinein.
    Oder freut er sich zu früh? Wieder steigt in ihm diese Angst auf. Matthias hatte ihm die Probleme beim Verkauf seines Patents dargelegt, er hatte ihm zum Kauf der Pistole geraten. »Es ist heiß, zu heiß«, hatte er beschwörend auf ihn eingeredet, »wir sitzen auf deiner Erfindung wie auf einer glühenden Herdplatte.«
    Herbert Stengele wird es erneut speiübel. Er wollte ja nur ein Riesenteleskop schaffen, the great eye. Jetzt hat er es berechnet, das Patent ist angemeldet, die ersten Interessenten haben angefragt. Wo liegt, verdammt noch mal, eigentlich das Problem?
    Übertreibt Matthias mal wieder hemmungslos? Kann er ihm überhaupt noch vertrauen? Nach all seinen bisherigen Erfahrungen mit seinem alten Kommilitonen wittert Herbert Stengele eine Falle. Matthias geht über Leichen, wenn es ihm zum Vorteil gereicht. Doch bisher brauchten sie sich gegenseitig. Herbert ist der Erfinder, Matthias der Verkäufer. So hatten sie gemeinsam den kleinen Laden Defensive-Systems, bei Immenstaad am Bodensee, von Gunther Schwanke, hochgebracht.
    Kluge hatte dabei richtig gut verdient, auch Schwanke wurde reich, und endlich bin ich an der Reihe, schwört sich Herbert Stengele.
    Er geht zu seinem CD-Player und schiebt eine Klassik-CD ein: ›Verleih uns Frieden‹ von Felix Mendelssohn Bartholdy.
    Stengele legt sich in seinen großen Ohrensessel, verschließt die Augen und will nur noch das Kammerorchester hören. Das ganze Leben kommt ihm meist wie das gesamte Leiden Christi vor. Allein in der Musik, da findet Stengele Erlösung. Er hört die ersten Klänge, sieht ein tiefes Universum vor sich. Sterne, Planeten und das unendliche, geheimnisvolle All.

2
    Die Leiche ist durch die schwarz-weiß-Zeichnung des Okulars kaum zu erkennen. Im Sucher der TV-Kamera schimmern nur Grautöne. Dabei lässt die Morgensonne das blaue Wasser des Sees, am romantischen Friedrichshafener Seeufer des Seemooser-Horns, golden glitzern. Im Gegenlicht tanzen die Sonnenstrahlen ein Morgenballett über die leicht gekräuselten Wellen. Im Sucher zeichnen sich klar und deutlich die Kanten der Schienen der Slipanlage des württembergischen Jachtklubs ab.
    Doch was ist das?, fragt sich der junge Kameramann ungläubig und streicht sich eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. Simon Class presst erneut sein rechtes Auge fest auf das Okular. Mit den Händen wehrt er störende Sonnenstrahlen vor dem Objektiv ab. Er stiert durch seinen Sucher und sieht deutlich einen Gegenstand unter den Schienen, der aussieht wie der Oberkörper eines Menschen.
    Der junge Kameramann des Fernsehteams winkt aufgeregt seinen Redakteur, Leon Dold, zu sich: »Drehen wir einen Dokumentarfilm oder einen Tatort?«, lacht er unbedarft, »das musst du gesehen haben, sieht aus, als läge da ein Toter im Wasser.«
    Leon Dold stöhnt. Er hat am frühen Morgen keine Lust auf die Scherze seiner ausgeschlafenen Kollegen. Es ist kurz vor neun, für ihn noch
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