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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut
Autoren: Erich Schütz
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davon, ob Herr Müller und Frau Maier nicht doch …?
    Björn Otto war schon während seiner Tätigkeit bei der Stasi klar geworden, dass alle diese Informationen von Bedeutung sind. Nicht nur für den Staat, sondern heute, im kapitalistischen Westen, für Kaufhäuser, Banken und vor allem Versicherungen. Er musste nach der Wende nicht lange für seine Fähigkeiten werben. Großunternehmen erkannten ihre Chance und griffen auf das Fachpersonal des MfS der DDR zurück. Björn Otto hatte Erfahrungen im Sammeln von Daten und vor allem bei deren Auswertung.
    Und nichts weiter war bei der Telekom geschehen. Schließlich will man doch wissen, wen man beschäftigt?, denkt Björn Otto. Warum nur diese Aufregung? Das ist schließlich das tägliche Brot seines Unternehmens DigDat.
    »Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt …« Chorgesang und ein voll besetztes Symphonieorchester lässt plötzlich die alte DDR-Hymne im Fond des noblen Daimlers erklingen. Björn Otto zieht sein Handy aus der Jackentasche, blickt auf die Uhrzeit und betätigt die Freisprechanlage. »Du solltest um diese Zeit im Bett sein«, lacht er laut, »du weißt doch, wir erledigen hier eure Arbeit und stehen deshalb früher auf. Also, leg du dich wieder hin.«
    »Ich werde mich gleich hinlegen, habe gerade auch schon genügend auf unseren Erfolg getrunken, aber das muss ich dir noch schnell mitteilen: Wir haben’s!« Die Stimme des Anrufers klingt jung, fröhlich und hell, der Mann scheint aufgekratzt und lässt die Katze schnell aus dem Sack: »Wir werden die Daten der ›Exklusiv Krankenkasse‹ übernehmen, wir werden über unsere Firma in Nürnberg den Auftrag erhalten und intern an euch weiterleiten.«
    Björn Ottos Miene erhellt sich. Solche Neuigkeiten aus Deutschland gefallen ihm.
    »Das Gesundheitsministerium hat vergangene Woche ausdrücklich erlaubt, dass Krankenkassen ihre Daten an externe EDV-Dienstleister zu Verarbeitung weiterleiten dürfen, das war der Durchbruch!«
    Dank ihrer zielgerichteten Lobbyarbeit in Berlin haben Björn Otto und seine ehemaligen Stasikollegen die wichtigsten Entscheidungsträger in den BRD-Ministerien überzeugt. Datenverarbeitung muss zur Sicherung der Arbeitsplätze in erster Linie Unternehmen entlasten. Und wo bitte ist denn das Problem? Krankenkassen sind nun mal keine Datenverarbeitungsspezialisten.
    Sein Erfolgsrezept ist einfach. In Deutschland ist offiziell der Sitz seiner Datenverarbeitungsfirma. In Nürnberg sitzt der Vertrieb, der die Aufträge ködert. Dadurch wird dem Kunden ein seriöser Datenschutz, streng nach deutschen Gesetzen, vorgegaukelt. Aber was denken sich denn die Kunden?
    Um die bestechend günstigen Preise in Deutschland zu bieten, werden die Daten dort weder verarbeitet noch verwaltet, das schaffen nur billige Arbeitskräfte im Fernen Osten.
    Björn Otto blickt nochmals auf dieses Unwort ›Datenskandal‹ und lacht dann aus vollem Hals: »Frag doch mal bei der Telekom an, ob wir denen nicht auch helfen können.«
    »Wir sind schon in Verhandlungen«, antwortet die aufgekratzte Stimme vergnügt, »nur im Augenblick will die Telekom erst mal ein bisschen Ruhe, aber wir haben ihnen die Vorteile auf den Tisch gelegt.«
    Längst lassen die meisten europäischen Großfirmen ihre Daten bei DigDat in Vietnam bearbeiten. Die Übertragung der Daten aus jedem Winkel Europas nach Ho-Chi-Minh-Stadt dauert den Bruchteil einer Sekunde. Oft werden im teuren Europa Informationen nur noch hingeschrieben, Aufnahmeformulare für Kundenkarten einfach per Hand ausgefüllt, dann werden die Papiere eingescannt und im billigen Vietnam erst aufwendig in die Systeme eingegeben und verwaltet. So ruhen in den Servern von DigDat unzählige Namen vor allem deutscher Bürger, ihre Geburtsdaten, Bankverbindungen, Einkaufsverhalten, Schuldenstand und jetzt auch noch ihre Krankheitsbilder. Für Björn Otto als ehemaliger Stasischnüffler geradezu paradiesische Zustände, die er auch zu nutzen weiß.
    Der Mercedes biegt aus der Nguyen-Huri-Cáhn-Straße über die Saigonbridge in die Xa-lo-Ha-Noi-Straße ein. Jetzt kann der Chauffeur endlich das Gaspedal durchtreten. Die alte Hauptstraße in Richtung Hanoi im Norden ist frei und breit. Der kleine Asiate lenkt den Wagen am Saigon River entlang in den nordöstlichen Teil des Ho-Chi-Minh-Bezirks.
    Nach etwa 20 Minuten verlangsamt er seine Fahrt. Inmitten trostloser Häuserfassaden liegt eine grüne Oase. Eine hohe Mauer umzäunt das Anwesen. Dahinter hat Björn
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