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Böses mit Bösem

Böses mit Bösem

Titel: Böses mit Bösem
Autoren: Elliott Hall
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folgte er meinem Blick und sah mir dann ins Gesicht. »Sie kennen ihn?«
    Im Nachrichtenuntertitel stand: »General Simeon Glass, Direktor des Heimatschutzministeriums.« Ich konnte den Namen nicht laut aussprechen. »Er war in Teheran mein Kommandant.«
    Ich spürte ein Beben. Es stieg vom Boden durch meine Schuhsohlen nach oben und ließ meine Knochen leicht erzittern. Ich dachte schon voller Sorge, das wäre wieder so eine Nebenwirkung, als ich Joses Gesichtausdruck sah. »Haben Sie das gespürt?«
    »Ja. War das ein Erdbeben?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war etwas Schlimmeres. »Gehen Sie zu Ihrem Hotel zurück«, sagte ich. »Man wird Sie dort brauchen.«
    Jose rief meinem Rücken eine Frage nach, aber ich rannte schon los.
    Auf den Straßen war die Schreckstarre dem Chaos gewichen. »Bewahren Sie Ruhe«, kam es aus dem öffentlichen Lautsprechersystem. »Bleiben Sie zu Hause oder kehren Sie an Ihren Arbeitsplatz zurück«, erklang die leidenschaftslose, mehr oder weniger weibliche Stimme aus jedem Fernseher und Lautsprecher auf dem Platz. »Vermeiden Sie Panik. Bleiben Sie drinnen. Sie befinden sich nicht in Gefahr. Vermeiden Sie Panik. ›Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück   …‹«
    Die Leute nahmen diesen Rat eher nicht an. Menschen, die in Flugzeuge und U-Bahnen gestiegen waren, um Läden und Boutiquen aufzusuchen, protestierten nun dagegen, dass sie von der New Yorker Polizei und Einheiten der Nationalgarde in ebendiese Geschäfte getrieben wurden. Die Truppen waren |34| mit der Menschenmenge vollauf beschäftigt, aber es würde nicht lange dauern, bis einer von ihnen auch mich packte und zu den anderen steckte. Im Süden sah ich schwarzen Rauch aufsteigen, spürte aber keine weiteren Explosionen. Man hörte nur das Schrillen der Sirenen und den Lärm der Menschen am Rande der Panik.
    Ich verließ das Rockefeller Center in südlicher Richtung und kam zur Forty-eighth Street. Auf der Fifth Avenue rannten alle in die entgegengesetzte Richtung. Zu meiner Linken lag eine Tiefgarage, die einen zweiten Eingang zur Fortyseventh Street hatte. Ich rannte hindurch. Die Parkwächter nahmen an, ich sei ein weiterer von Panik erfasster Bürger, der sich Sorgen um seinen Wagen machte.
    Die Forty-seventh Street war leer. Ein paar Dutzend Leute versteckten sich hinter den Fenstern der Juwelierläden. Zwischen all dem Luxus auf Samtpolstern sahen sie zu mir hinaus, als befände ich mich auf dem Mond. Ein Polizist zu Pferd ritt auf der Avenue of the Americas vorbei. Er hielt an und blickte die Forty-seventh hinunter. Seine Augen unter dem Polizeihelm fielen auf mich. Ich schlüpfte in das neue Lamont-Hotel, bevor er Gelegenheit hatte, mich zu meinem eigenen Besten abzufangen.
    In der Lobby herrschte Chaos. Am Vordereingang waren Gepäckstücke wie zu einer Barrikade aufgetürmt worden. Angsterfüllte Touristen belagerten den Empfangstresen und verlangten in zehn verschiedenen Sprachen Information, Kompensation und eine Möglichkeit, die Stadt zu verlassen, und zwar sofort. Den drei Hotelangestellten blieb zur Verteidigung nur ihr professionelles Lächeln. Der Sicherheitschef und zwei Pagen versuchten, die Ordnung wiederherzustellen, aber keiner hörte auf sie. Normalerweise wäre ich jetzt langsamer gelaufen, um nicht aufzufallen, doch selbst im gestreckten Galopp sah ich hier noch zurechnungsfähiger aus als alle anderen.
    |35| Der Lieferanteneingang des Lamont ging auf die Forty-sixth Street hinaus. Links von mir stand ein Büroturm. Zu seinen Füßen lag ein kleiner Park, in dem Büroangestellte ihre Mittagspause in natürlichem Licht verbringen konnten. Ich behielt mein Tempo bei, noch immer im Ungewissen, worauf ich eigentlich zurannte. Die Rauchwolke wurde größer.
    An der Forty-fifth befand sich eine Baustelle. Ich rammte mit der Schulter einen Weg durch den Bauzaun. Auf dem Gelände war niemand und ich lief ein wenig langsamer. Der Chor der Sirenen war insoweit tröstlich, als er die ermutigende Bibellesung des Notfall-Beschallungssystems übertönte. Irgendwo oben flogen Helikopter und das Dröhnen ihrer Rotorblätter vereinigte sich mit dem versengten Geruch in der Luft und löste bei mir eine Menge unwillkommener Erinnerungen aus.
    Ich rannte auf die Forty-fourth hinaus und blieb mitten auf der Straße stehen. An jedem anderen Tag wäre das Selbstmord gewesen. Vor mir, so nahe, dass ich die zerstörerische Hitze spüren konnte, war ein halbes Gebäude verschwunden. Es war
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