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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut
Autoren: Arne Dahl
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schenken. Vom peniblen Paragraphenreiter der Gruppe hatte Norlander sich inzwischen zu ihrem bad boy gewandelt, die abgetragenen Bürokratenanzüge waren nach den Machtmorden durch trendige Polohemden und Lederklamotten ersetzt worden und der leichte Fettwanst durch ein veritables Waschbrett.
    Der Rest der Gruppe war bereits zur Stelle, als Norlander und Hjelm hereinstürmten. Chavez traf kurz danach mit einem Taschentuch vor der Nase ein. Kommissar Jan–Olov Hultin warf ihm vom Katheder ganz vorn in dem anonymen kleinen Vorlesungssaal, in dem er gelangweilt wie ein von der Pensionierungsbehörde vergessener Mittelstufenlehrer saß und vor sich hin brütete, einen skeptischen Blick zu. Die Miniaturbrille saß ihm wie ein vollkommen natürlicher kleiner Auswuchs auf der Riesennase. Keine neu entfachte Glut funkelte in seinen Augen, möglicherweise glomm es ein wenig in den Augenwinkeln. Er räusperte sich.
    Der Kern der Truppe war am Platz, alle hatten sich wie üblich früh eingefunden, um früh wieder gehen zu können, keiner war ausgeliehen, keiner zu einer bizarren Strafe irgendwohin abkommandiert. Und das war immerhin etwas. Gunnar Nyberg, Arto Söderstedt und Kerstin Holm saßen schon ganz vorn. Nyberg und Söderstedt gehörten zur gleichen Generation wie Norlander, waren also einige Jahre älter als Hjelm und viele Jahre älter als Chavez, Kerstin Holm lag irgendwo dazwischen. Sie war die einzige Frau in der Gruppe, eine kleine dunkle Göteborgerin mit reichlich Haaren auf den Zähnen; sie war der dritte Zacken in dem Gehirntrio, das sie, wie es allgemein hieß, zusammen mit Hjelm und Chavez bildete. Andererseits hatte sie etwas Wichtiges mit dem gediegensten Kraftpaket der Gruppe gemeinsam, ihrem Zimmergenossen Gunnar Nyberg: beide sangen im Chor und schämten sich nicht, in ihrem Zimmer bei A–cappella–Übungen ertappt zu werden. Nyberg hatte eine schillernde Vergangenheit als brutaler, steroidgewohnter Bodybuilder; nunmehr war er ein furchtsamer Mann in mittleren Jahren, ein schön singender, schlampig gekleideter Fleischberg, der jedoch bei Bedarf die alten Takte aktivieren konnte. Das hatte er in der Machtmordzeit bewiesen, als er sich mit einer Kugel im Hals einen beschleunigenden Wagen vorgenommen und außer Gefecht gesetzt hatte. Söderstedt wiederum war der Ausgefallenste in der ganzen Gruppe, ein echt finnischer, kreideweißer ehemaliger Topanwalt, den sein Gewissen eingeholt hatte; er arbeitete immer ein bißchen für sich, auf ganz eigenen, sonderbaren Spuren abseits der ausgetretenen Wege.
    Norlander, Chavez und Hjelm schoben sich in die Reihe hinter dem Trio.
    Hultin erhob seine wie gewöhnlich ausdruckslose Stimme: »Ein schwedischer Bürger ist in den USA ermordet worden. Aber nicht irgendwer, nicht irgendwo und nicht von irgendw em. Ein einigermaßen bekannter schwedischer Literaturkritiker ist vor ein paar Stunden auf dem Flughafen von Newark bei New York umgebracht worden. Er wurde auf bestialische Weise von einem fleißigen Serienmörder gefoltert, dessen Glanzzeit ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Soweit haben wir mit der Sache nichts zu tun.«
    Es war an der Zeit für eine von Hultins Kunstpausen, und was folgte, war eine solche. Er ging weiter: »Unser kleines Dilemma besteht darin, daß dieser robuste Serienmörder von robustem internationalem Charakter auf dem Weg hierher ist.«
    Wieder eine Portion Schweigen, vielleicht ein bißchen gespannter. »Die Information des FBI läuft darauf hinaus, daß der Mörder den Platz des Literaturkritikers in der Maschine eingenommen hat. In diesem Augenblick befindet er sich auf dem Flug SK 904, der in knapp einer Stunde, also um 8 Uhr 10, in Arlanda landet. An Bord der Maschine befinden sich insgesamt einhundertdreiundsechzig Passagiere, und die New Yorker Polizei hat entschieden, das Bordpersonal nicht von dem Sachverhalt in Kenntnis zu setzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schweben wir vollständig im Ungewissen, was die Identität des Mörders betrifft, was an und für sich nicht so erstaunlich ist, wenn man bedenkt, daß er das FBI seit zwanzig Jahren an der Nase herumführt. Man hofft jedoch anscheinend, den Namen, unter dem der Mann reist, vor der Landung der Maschine herauszufinden. Ich habe eine offene Telefonverbindung zu einem Special Agent namens Larner in New York, und wir brauchen also zwei parallele Pläne. Für den ersten gilt: Wir bekommen den Namen rechtzeitig, es besteht die Gefahr, daß es zu einem Handgemenge kommt. Für den
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