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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut
Autoren: Arne Dahl
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zweiten gilt: Wir bekommen den Namen nicht rechtzeitig, was bedeutet, daß wir versuchen müssen, unter den einhundertdreiundsechzig Passagieren einen gerissenen Serienmörder zu erkennen, dessen einzige bekannte Merkmale sind: weiß, männlich, wahrscheinlich älter als fünfundvierzig.«
    Hultin stand auf und zog den Reißverschluß seiner alten Sportjacke über den Pistolenkolben im Achselhalfter. Er beugte sich vor. »Die Sache ist eigentlich ganz einfach«, sagte er ruhig. »Wenn es schiefgeht, hat Schweden seinen ersten echten amerikanischen Serienmörder importiert. Laßt uns das vermeiden.«
    Er stiefelte davon zu dem wartenden Hubschrauber und gab noch die folgende Weisheit von sich: »Die Welt schrumpft, meine Damen und Herren. Die Welt schrumpft.«

3
     
    Die unermeßliche, unersetzliche Stille, die sich immer einstellte, kam in rhythmischen Wellen von Wohlgefühl. Er wußte, daß er nie aufhören würde.
    Draußen erstreckte sich die unendliche Leere, die Erde war nichts als eine belanglose Ausnahme. Ein göttlicher Fliegenschiß auf dem weißen Blatt der großen Perfektion, ein Lapsus im Protokoll, der die uneingeschränkte Göttlichkeit der Gottheit zunichte gemacht haben dürfte.
    Eine dünne Plexiglasscheibe trennte ihn von dem saugenden Vakuum des Nichts, an dem der Frieden ihn teilhaben ließ. Er kopulierte damit in göttlich schwingenden Bewegungen.
    Die Bilder wurden von der Wolkenschaukel der Stille vertrieben. Sie waren jetzt weit weg. Er konnte sogar an sie denken. Und keinen Moment verschwand das friedvolle Lächeln von seinen Lippen.
    Er konnte sogar an den Spaziergang in den Keller hinunter denken. Der bestand jetzt nicht aus Bildern – dann mußte er wegbeschworen werden, mit Opferrauch ausgeräuchert werden –, sondern er war eine Erzählung, eine logisch zusammenhängende Struktur. Und obwohl er wußte, daß diese bald wieder verlorengehen und erneut nach seinem Opferrauch rufen würde, vermochte er ihre jähe, glasklare Vollendung zu genießen.
    Er war auf dem Weg.
    Er war auf dem Weg die Treppe hinunter, von der er nicht wußte, daß sie existierte, hinunter in den Keller, von dem er nicht wußte, daß er existierte. Die Geheimtür im Kleiderschrank. Die unvergeßliche süßlich–staubige Luft auf der Treppe. Die lautlosen Zementstufen, die zahllos zu sein schienen. Das feuchtkalte Geländer.
    Die ganz und gar selbstverständliche Folgerichtigkeit der Initiation. Wenn der Blick gehoben werden und ein Schritt den anderen ablösen konnte auf dem Weg hinunter ins Urdunkel, war die Logik unbestreitbar. Er war erwählt worden.
    Ein Kreis mußte geschlossen werden. Das war es, was jetzt getan werden mußte. Dann konnte er ernstlich anfangen.
    Die Treppe führte weiter. Jede Spur von Licht verschwand. Er tastete sich voran, Schritt für Schritt.
    Er genehmigte sich eine Pause, während die Stille ihn dem befreienden Schlaf entgegenwiegte. Er folgte dem makelbehafteten Schwingen des makelbehafteten Flugzeugflügels hinaus zu dem perfekten Schwingen der Ewigkeit.
    Ein anderes Licht wurde sichtbar, ein völlig anderes Licht, und es begleitete ihn die letzten Treppenstufen hinab. Wie ein Ikonenrahmen um ein Dunkel, das heller war als irgendein Licht, schoß das Licht von jenseits der Tür hervor. Eine Glorie, die den Weg wies. Ein goldener Rahmen um ein zukünftiges Kunstwerk.
    Das jetzt vollendet werden sollte.
    Er schob die Tür des tausendjährigen Reiches einen Spalt weit auf.
    Vor dem Fenster glitten der Große Bär und der Kleine Bär zusammen zu einem Noch Größeren Bär.
    »Tonight we can offer you the Special SAS Swedish–American long drink for a long night's flight, sir«, hörte er eine weiche, singende Frauenstimme sagen.
    Doch da schlief er schon.

4
     
    Um 7 Uhr 23 am Mittwoch, dem 3. September, hob die A–Gruppe von der Hubschrauberplattform des Polizeipräsidiums ab. Die Sieben wurden zu einer Einheit zusammengepackt, die es eigentlich nicht mehr gab. Einen kurzen Moment kam es Paul Hjelm so vor, als imitierten sie eine verschwundene Einheit, doch das Gefühl verflog schnell, und er konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Wie alle anderen.
    Er saß eingeklemmt zwischen Gunnar Nybergs leicht hechelndem Riesenkörper und Arto Söderstedts um so dürrerem Gerippe. Ihm gegenüber wurde Kerstin Holms kleiner dunkler Körper zwischen den nunmehr äußerst durchtrainierten Muskeln des Mittvierzigers Viggo Norlander und Jorge Chavez' jugendlich unberührter Kompaktheit
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