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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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im Kampf hielten die Leute inne, alle Augen waren auf uns gerichtet. Ich hatte noch nie erlebt, dass Chester seine Stimme so erhoben hatte. Und auch keiner von den anderen – da wäre ich jede Wette eingegangen.
    »Was macht ihr da?«, fuhr Chester fort. »Habt ihr nicht gesehen, was gerade passiert ist? Wir waren von Dämonen umzingelt, von leibhaftigen Dämonen! Und sie waren nur da, weil die beiden dort drüben«, erklärte er und deutete auf die beiden Engel, »euren Hass geschürt haben.«
    »Er hat recht«, pflichtete Jane ihm bei und gesellte sich zu uns. »Wir sind gute Menschen. Wir hassen nichts und niemanden – es sei denn, der Hass wird von außen an uns herangetragen.«
    Ich zuckte innerlich zusammen, entschied aber, es so stehenzulassen. Ob das tatsächlich so stimmte und wir alle im Grunde die reinsten Unschuldslämmer waren, darüber könnten wir später noch streiten.
    »Diese Kinder sagen die Wahrheit«, schaltete Father Reedy sich ein. »Seht nur, was ihr euch gegenseitig antut. Und was ihr uns antun wolltet. Verhält sich so eine Gemeinde, die ihre Nächsten liebt?«
    Als sich in der Menge Gemurmel bemerkbar machte, dachte ich für einen Moment, wir hätten die Leute wirklich erreicht. Doch just in dem Moment stießen uns die beiden Engel zur Seite und lenkten die Aufmerksamkeit der Zuschauer wieder auf sich. Ihre Gesichter sahen aus wie immer. Ich hatte ganz vergessen, mit welchen Kräften sie ausgestattet waren.
    »Es stimmt, ihr habt euch dem Hass hingegeben«, sagte Brightly, »aber ich vergebe euch. Jetzt ist die Zeit der Liebe gekommen – der härtesten Form der Liebe, die existiert. Ihr müsst diesen Sündern eure Liebe beweisen, indem ihr uns erlaubt, sie zu bestrafen. Allein schon dem Wohl ihrer Seelen wegen müssen sie Buße tun.«
    O nein, dachte ich. Sie drehen den Spieß um, ziehen die Menschen wieder auf ihre Seite …
    »Wir fangen mit den Homos an«, ergriff Feltless das Wort und packte Chester und mich.
    »Wir fangen mit den Selbstbefleckern an«, hielt Brightly dagegen und funkelte Feltless an.
    Oder auch nicht. Vielleicht wollten sie die Gewalttä tigkeit wieder aufflammen lassen. Ich wollte etwas sagen – irgendetwas –, um das Unabwendbare doch noch abzuwenden. Aber mein Hals wollte einfach nicht mitspielen.
    Ich sah mich nach irgendeinem Zeichen um, das Anlass zur Hoffnung gab. Father Reedy, meine Mutter, Jane, Jacob und seine Mutter schrien die Engel an, um sie dazu zu bewegen, dem Wahnsinn ein Ende zu machen. Selbst wenn sie sie hörten, ließen die beiden sich jedoch nichts anmerken.
    Paul, Ryan und Lucie waren indes von der Bühne verschwunden. Ich beobachtete, wie sie in Richtung Kirchenparkplatz rannten. Aus den Augenwinkeln heraus entdeckte ich noch jemanden, der rannte – und zwar genau auf uns zu …
    Ich riss die Augen auf. Es war Fon Pyre! Der Dämon machte einen Satz auf die Bühne, wo er schlitternd zwischen den beiden erstaunten Engeln zum Stehen kam.
    »Ich bin frei!«, rief Fon Pyre in die Menge. »Euer Hass hat mich befreit. Und ohne euch zwei«, sagte er und sah zu Brightly und Feltless auf, »hätte ich das nie geschafft!«
    Als die beiden Engel sich wieder gefangen hatten, wollten sie sich auf Fon Pyre stürzen. Doch der Dämon war schneller, schlug einen Haken und schoss davon. Brightly und Feltless verloren keine Zeit. Sie sprangen von der Bühne und verfolgten Fon Pyre bis in den Wald auf der anderen Seite des Parks.
    »Spinnt der jetzt total?«, fragte Chester. »Was sollte das denn?«
    Ich dachte kurz nach und musste lächeln. Fon Pyre hatte der Menge zunächst eine letzte Lektion erteilt: Er hatte die Leute daran erinnert, was geschah, wenn sie den gefallenen Engeln die Macht über sich erteilten. Anschließend hatte der Dämon die beiden Engel weggelotst, damit sie die Menge nicht wieder manipulieren konnten. Als ich nun in die Menge schaute, erkannte ich, dass die Leute sich vom Einfluss der Engel befreit hatten und wieder zu sich kamen. Kopfschüttelnd murmelten viele vor sich hin, und ich konnte aus verschiedenen Ecken ein »Was haben wir nur getan?« vernehmen. Oder so etwas in der Richtung.
    »Kein schlechter Plan«, meinte Chester, als ich ihm Fon Pyres Verhalten erklärt hatte. »Aber was ist mit den Engeln? Sie werden ihn umbringen.«
    Mein Lächeln verschwand. Mit einem Schlag wurde mir der wahre Grund für Fon Pyres vermeintliche Selbstopferung klar. Ehe ich wusste, was ich tat, war ich mit einem Satz von der Bühne gesprungen und
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