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Böse Sterne

Titel: Böse Sterne
Autoren: Dietmar Bittrich
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Ihre Partner. Die hauen irgendwann ab. Schon gemerkt? Die wünschen
     Ihnen alles Gute und schließen leise die Tür.
    Und Sie leiden. Nichts fällt Ihnen schwerer als Abschied zu nehmen. Sie haben sich noch nicht mal von Ihrer Mutter gelöst.
     Sie wohnen immer noch halb zu Hause. Sie hassen Neuanfänge. Sie hassen Abschiede. Sie hassen Trennungen. Das fühlt sich jedesmal
     so an, als würde Ihr Selbst mit Stumpf und Stiel und Wurzel herausgerissen.
    Und weil das schmerzt, halten Sie fest. Auch wer nicht mehr persönlich anwesend ist, von dem bleiben Erinnerungen. Sie pflegen
     Ihre früheren Liebschaften. Nicht gerade auf einem Altar. Aber das Erste, was eine Neueroberung in Ihrer Wohnung entdeckt,
     nachdem er oder sie die Fenster aufgerissen hat, ist ein Foto von dem oder der Ex. Und unserem Neuling schwant schon, dass
     bald das Vergleichen beginnt – mit einem Idealbild aus der Vergangenheit.
    Sie sind nun mal so. Auf Sicherheit aus und gerade deshalb stets gefährdet. Nach Festigkeit sich sehnend und also stets auf
     schwankendem Boden. Was verlässlich bleibt, sind die Geschichten, die Sie sich selbst erzählen. Mit denen können Sie sich
     gemütlich einrichten. Und die |27| Damen und Herren vom Pflegedienst werden sich bestimmt auch sehr dafür interessieren.
     
    So schaffen Sie den beruflichen Abstieg
    Sie können gut arbeiten. Das ist schon mehr als man von vielen anderen Zeichen sagen kann. Allerdings haben Sie nur selten
     Lust dazu. Es soll Leute geben, die springen morgens aus den Federn und freuen sich auf die neuen Herausforderungen des Tages.
     Das finden Sie unbegreiflich. Abschreckend.
    Sie bleiben lieber im Bett. Möglichst lange. Bringt Ihnen jemand das Frühstück? Hoffentlich. Sie freuen sich nicht auf Herausforderungen,
     schon gar nicht auf neue. Neues ist Ihnen suspekt. Sie möchten, dass alles so weiterläuft. Bereits in der Schule beschlich
     Sie immer eine vage Furcht bei einem Wechsel des Lehrers oder der Klasse oder gar der Schule.
    Und das ist so geblieben. Sie mögen Jobs, in denen sich wenig oder besser gar nichts verändert. Begriffe wie »Restrukturierung«,
     »Optimierung« oder gar »innovative Konzepte« hören Sie gar nicht gern. Es ist immer ein Stier, der dem Team von der Unternehmensberatung
     verrät: »Wir sind hier auf unsere Art immer gut zurechtgekommen.«
    Das entspricht der Wahrheit. Sie kommen gut zurecht, wenn man Sie nur Ihren Stiebel machen lässt. Ihre Umgebung mag geschlossen
     in den Nervenzusammenbruch driften, die Firma in die Pleite taumeln, Sie machen |28| so weiter wie gewohnt. Wenn Sie in Ihrem Sessel sitzen, kann nichts passieren. Der Typ, der drei Tage und Nächte hindurch
     im Großraumbüro vor seinem Bildschirm hockte, bis man ihn anstieß: Mach mal Pause!, und merkte: Der ist ja tot!, das war ein
     Stier. »Sie hätten doch mitkriegen müssen, dass er sich nicht bewegte!«, tadelte der Arzt. »Der hat sich auch sonst nie bewegt«,
     wurde ihm erklärt.
    Das sind Sie. Nur dass Sie gelegentlich zu einer Pause aufstehen und essen gehen und natürlich Urlaub haben wollen. Aber
     das Wichtigste ist doch, dass nichts sich verändert. Die Belegschaft soll dieselbe bleiben, höchstens der Störenfried soll
     weg – obgleich Sie nicht leicht zu stören sind. Die Anforderungen sollen nicht wechseln, allenfalls heruntergeschraubt werden.
     Sie möchten höflich behandelt und mit Namen angeredet werden. Das Gehalt soll zum Stichtag auf dem Konto eingehen.
    Wenn das so ist und so bleibt bis zur Pensionierung, dann fühlen Sie sich wohl. Dann freuen Sie sich auf die Abschiedsurkunde
     mit der Anstecknadel »hat sich um unser Unternehmen verdient gemacht«. Übrigens, was Sie nie mitbekommen: Nach Ihrem Weggang
     ist die Luft in der Firma leichter zu atmen. Alle fühlen sich geliftet. Das ganze Gebäude erhebt sich ein paar Zentimeter
     aus der Erde.
    Wissenschaftler erklären das damit, dass Ihr spezifisches Gewicht die gesamte Umgebung runterzieht oder vielmehr niederdrückt.
     An Bord eines Heißluftballons darf nie mehr als ein Stier sein, wussten Sie das? Auch für |29| Seilbahnen soll dieses Gesetz jetzt eingeführt werden. So ganz geklärt sind die Ursachen nicht. Fest steht: Stiere, auch die
     scheinbar leichtgewichtigen, belasten Ihr Umfeld mit einer unbestimmbaren Schwere.
    Das ist gut! Mit Ihrer klobigen Aura können Sie manches forsche Unternehmen vor dem Abheben bewahren. Das ist besonders bei
     jungen Start-ups nützlich, nützlich jedenfalls
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