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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht
Autoren: Kim Harrison
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hatte, ein Zeichen. »Ich muss wieder zurück, aber wie wär’s, wenn wir später noch ins Low D gehen?« Das Low D, kurz für The Lowest Common Denominator - kleinster gemeinsamer Nenner —, war der Laden, in dem alle hier in ihrer Freizeit rumhingen. Three Rivers war eine College-Stadt und die Studenten verstanden den Witz, wenn auch sonst kaum jemand. Josh sah zu Nakita und Barnabas hinüber. »Ich meine, wir alle?«, fügte er etwas widerstrebend hinzu.
    Es war nicht einfach, ein bisschen Zeit für Josh und mich allein zu finden zwischen Schule, meinem Dad und meinem Job im Blumenladen. Mal ganz abgesehen von meinem Chefposten als dunkle Zeitwächterin, der mich Tag und Nacht auf Trab hielt. Man sollte ja meinen, dass man haufenweise Zeit hat, wenn man keinen Schlaf braucht - tja, das konnte ich definitiv nicht bestätigen.
    Barnabas, der meine Antwort schon ahnte, stieß unter seiner Kappe einen Seufzer aus. Wir würden wohl erst lange nach Sonnenuntergang dazu kommen, an meinen Resonanzverbergungskünsten zu arbeiten. Mein Herz - oder zumindest die Erinnerung daran - gab vor Aufregung ein einzelnes Klopfen von sich, bevor es gleich darauf wieder verstummte. »Klar«, erwiderte ich lächelnd - kleines Wort, gigantische Bedeutung.
    Josh streckte seine Finger durch den Maschendraht und ich griff danach. Josh und ich hatten schon eine ganze Menge zusammen erlebt, besonders, wenn man unseren etwas holprigen ersten Abend betrachtete, als er mich mehr oder weniger aus Mitleid zum Abschlussball begleitet hatte. Inzwischen aber lief es richtig gut, auch wenn der ganze Zeitwächterkram uns immer wieder dazwischenfunkte, Josh lächelte sein schiefes Lächeln und sah einfach zum Niederknien aus, als er seine Hand zurückzog und sich auf den Weg zurück zu seinen Kumpeln machte. Nakita blickte mich finster an, als ich mich zu ihr umdrehte.
    »Du hast Barnabas versprochen zu üben«, sagte sie und ich hob verwundert die Augenbrauen.
    »Es ist also okay, dass ich das Training verschiebe, um mir Josh s Wettkampf anzusehen, aber ein bisschen gesellig sein darf ich nicht?«, fragte ich.
    »Ganz genau.«
    Das war mal wieder Todesengellogik, dagegen kam ich nicht an. Das Blödeste daran war, dass sie wahrscheinlich recht hatte. Ich wandte mich ab und setzte mich auf die Bank, um auf Josh zu warten. Barnabas war direkt hinter mir, ich roch seinen Duft nach Federn und Wolken - ja, Wolken haben einen Geruch! Nakita ignorierte mich und stellte sich wieder an den Zaun, um die Nachzügler eintrudeln zu sehen. Ich überlegte, ob ich ihr vorschlagen sollte, selbst mal bei einem Crosslauf mitzumachen, verwarf die Idee aber sofort wieder.
    Sie war hier, um mich vor mir selbst zu beschützen, und nicht, um zur Superathletin zu werden.
    Doch sämtliche Gedanken an Übungsstunden mit Barnabas und das Low D waren wie weggeblasen, als aus der Sonne plötzlich blaue Tinte zu sickern schien, die auf den Boden tropfte und in kleinen Rauchwolken durch die Luft waberte. Wie Blut breitete sie sich auf dem Boden aus, überspülte die Leute, die von alldem nichts mitbekamen, und erfüllte mich mit Kälte. In der Zeit, die ich brauchte, um den Kopf zu heben, hatte das Blau bereits alles umhüllt.
    Heiliger Heringsschwarm. Das gibt einen Zeitsprung.
    Mein Herz machte einen Satz und blieb wieder stehen, als mich eine Welle von Angst durchzuckte. Bei meinem letzten Zeitsprung in die Zukunft hatte mich die Schönheit der Sterne zum Weinen gebracht und ich hatte gedacht, ich müsste sterben. Und dann war ich in das Bewusstsein eines jungen eingetaucht und musste den hässlichen Moment miterleben, in dem er den Tod mehrerer Menschen verursachte und damit den Verfall seiner eigenen Seele in Gang setzte. Das war jetzt fast einen Monat her und ich wusste nicht, was mir mehr Angst machte: der Gedanke daran, diese Hölle noch einmal durchleben zu müssen, oder daran, dass die Seraphim mir eine neue Chance gaben, zu beweisen, dass man einen Menschen nicht unbedingt töten musste, um seine Seele zu retten - denn was, wenn ich es vergeigte?
    Grace - mein manchmal ziemlich nerviger und selten anwesender Schutzengel - hatte mir erklärt, dass die Seraphim meine Zeitsprünge zwar nicht direkt auslösten, dafür konnten sie aber bestimmen, wann ich sie machte. Notfalls konnten sie sie auch abbrechen, um mir die Entwicklung zur voll einsatzfähigen Zeitwächterin etwas leichter zu machen. Da ich so ziemlich Hals über Kopf in diesen Job gerutscht war, hatte ich nie so
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