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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition)
Autoren: Myla Goldberg
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Schrauben und Muttern und einem Inbusschlüssel ins Haus geliefert worden war. Beim Anblick der Kekse auf dem Keramikteller mit dem vertrauten grünen Streifen sah Celia den alten, achteckigen Tisch aus rötlichem Holz wieder vor sich, die harten Stühle mit den bunt zusammengewürfelten Sitzkissen, die Küchenwände, deren Farbe an Zitronensorbet erinnerte, und den weißen Fußboden, über den Djuna und Celia in Socken dahingeglitten waren wie Eisprinzessinnen.
    «Ich hatte viel aufgehoben», murmelte Mrs. Pearson und fuhr mit dem Finger über den bemalten Rand des Tellers, «aber das hat mir nicht gutgetan. Mein Arzt hat mir empfohlen, alles loszuwerden, und ich habe weitgehend auf ihn gehört. Weitgehend.» Sie lächelte. «Ich habe natürlich noch Fotos. Die hole ich nur an ihrem Geburtstag heraus, aber wenn du magst, können wir sie uns nachher zusammen anschauen. Möchtest du Kaffee oder Tee? Der Kaffee ist schon fertig, und das Wasser im Kessel kocht, es ist also beides kein Problem.»
    Hätte Celia um Geißblattnektar gebeten, wäre Mrs.  Pearson davongeeilt, um Blüten zu sammeln.
    «Ich nehme gern Kaffee, danke.»
    Ein Tablett mit Teetassen, Milch und Zucker stand schon bereit. In der Küche konnte sich immer nur eine Person bewegen; Celia ließ ihre anfängliche Vision von dem Förster und seiner Kinderschar fahren.
    «Du bist also Richtung Westen geflüchtet», sagte Mrs. Pearson beim Einschenken. «Wie lange wohnst du schon in Chicago?»
    «Ich bin dort aufs College gegangen und dann hängengeblieben.»
    «Chicago.» Sie lachte in sich hinein. «Da wäre Dennis zu gern mit uns hingezogen. Er war am Boden zerstört, als Northwestern und die University of Chicago ihm abgesagt haben, aber ich fand Jensenville viel geeigneter, um ein Kind aufzuziehen. So viel sicherer, verstehst du?» Sie nahm sich einen Keks, tunkte ihn in eine nicht vorhandene Tasse und griff dann nach der, die noch auf dem Tablett stand. «Und als die hiesige Universität mir auch noch einen Posten am Anglistik-Institut anbot, konnten wir praktisch nicht mehr nein sagen. Weißt du, dass Dennis, wenn Djuna ein Junge gewesen wäre, darauf bestanden hätte, ihn Malthus zu nennen? Was ist denn das für ein Name? Dazu gibt es doch gar keine guten Spitznamen! Aus Djuna lässt sich immerhin June machen oder Una. Als sie noch ganz klein war, habe ich sie Jujube genannt, aber das hat sie sich mit sechs dann verbeten.»
    «Ich kenne niemanden sonst mit diesem Namen», sagte Celia.
    «Das wundert mich nicht», sagte Mrs. Pearson. «Hast du einmal etwas von Djuna Barnes gehört?»
    «War das nicht eine Schriftstellerin?»
    «Und eine Lesbierin», setzte Mrs. Pearson hinzu. «Also wenn sie heterosexuell gewesen wäre …» Sie schüttelte den Kopf. «Als ob Lesbischsein ansteckend wäre! Aber es ist ein wunderbarer Name, und sie war eine wunderbare Schriftstellerin. Dennis hätte das natürlich ganz und gar nicht gefallen, wenn er davon gewusst hätte. Dabei hat er sich immer eingebildet, aufgeschlossener zu sein als der Durchschnittsmathematiker. War er vermutlich auch, aber das will nicht viel heißen, oder? Er lebt jetzt in Michigan. Du kannst dich sicher nicht mehr an ihn erinnern?»
    «Sein Gesicht sehe ich noch vor mir», sagte Celia. «Und die Puppen, die er immer von seinen Reisen mitgebracht hat.»
    Einmal hatten sie und Djuna die schönste von ihnen entkleidet – eine kleine Japanerin mit perfekt frisierten schwarzen Haaren und einem eleganten Kimono. Mit Nagelscheren hatten sie die Nähte aufgetrennt und die Kleidung Schicht um Schicht abgeschält, bis der Kimono nur noch ein Häuflein billiger Seidenfetzen war.
    Mrs. Pearson lächelte schief. «Ja natürlich. Ich weiß noch, wie du immer geguckt hast, wenn Djuna sie als Beweis vorlegte. Dafür, dass der edle Spender ihr Vater ist und nicht bloß ein Untermieter in dem Arbeitszimmer mit dem Schlafsofa.» Sie lachte. «Ich habe mich in seinen scharfen Verstand verliebt, damit hatten wir eine Zeitlang etwas gemeinsam. Das Ergebnis seines IQ-Tests als Kind hat er rahmen lassen und aufgehoben, kannst du dir das vorstellen? Ich war mir hundertprozentig sicher, dass das Kind einer literarisch gebildeten Frau und eines mathematischen Genies unendliches Potenzial haben würde. Was ja in gewisser Weise auch der Fall war.»
    Sie blickte zur Wand. Celia bemerkte, dass das, was sie bei Djunas Mutter immer für ein Muttermal gehalten hatte, in Wirklichkeit ein aufgemalter Schönheitsfleck
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