Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition)
Autoren: Myla Goldberg
Vom Netzwerk:
abblätternden Nummern an Kieszufahrten. Wer hier rund ums Jahr lebte, mutmaßte Celia, nahm es mit stolzer Gelassenheit hin, regelmäßig eingeschneit zu sein. Durch dichtes Laub waren dann und wann Häuser zu sehen, von denen die meisten übertrieben rustikal mit Schindeln verkleidet waren und nur dank der schlichten Würde der Bäume ringsum nicht lächerlich wirkten. Das Haus am Ende von Mrs. Pearsons Zufahrt war älter und schmuckloser als der Rest. Celia stellte sich einen Förster vor, der es für seine Familie gebaut hatte, in einer Zeit, als Kleider noch selbst genäht wurden und Kinder bei jedem Wetter meilenweit zu Fuß zur Schule gingen. Dies hätte dem Haus durchaus einen gewissen Reiz verliehen, wenn Celia sich nicht wie die letzte Überlebende auf Erden vorgekommen wäre. In ihrem Heimatort genügten ihr ein Hundebellen oder ein vorbeirumpelndes Auto, um wohltuende Großstadtstille zu suggerieren, doch hier gab nicht einmal das Windglockenspiel, das von der Markise herabbaumelte, einen Ton von sich. Celia versuchte vergebens, sich Djunas Mutter dort drinnen vorzustellen.
    Die Haustür öffnete sich, als Celia gerade anklopfen wollte.
    «Entschuldige!», sagte Mrs. Pearson. «Habe ich dich erschreckt?»
    Der Zimtduft traf Celia wie ein Blitz aus heiterem Himmel. «Alles in Ordnung, ich war bloß –» Sie schloss die Augen und fand sich in der Diele von Djunas Haus wieder: Da stand der alte Schreibsekretär mit der täglichen Post, links die Treppe mit dem burgunderroten Läufer, rechts der Spiegel in dem dunklen Holzrahmen an einer himmelblau gestrichenen Wand. Mit einem Wimpernschlag war alles verflogen. Nur der Duft blieb.
    «Meine Güte, du bist es tatsächlich», sagte Mrs. Pearson. «Nach unserem Telefonat war ich mir nicht so ganz sicher. Ich dachte, vielleicht habe ich es nur geträumt. Weißt du, ich hatte immer im Hinterkopf, wenn ich weiter im Telefonbuch stehe, würdest du eines Tages vielleicht doch …» Sie lächelte. Celia glaubte sich an die Bluse zu erinnern, die sie trug: elfenbeinfarbene Seide mit Perlmuttknöpfen und schmal zulaufenden Ärmeln, die ihre Hände betonten. Die Jahre hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, und das wie eh und je zum Knoten aufgesteckte dunkle Haar war von zartem Grau durchsetzt, aber es war immer noch Djunas Mutter. «Celia, du siehst genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Du siehst phantastisch aus. Meinst du, ich dürfte … ach, was rede ich da. Ich muss doch wohl nicht um Erlaubnis fragen. Komm her, lass dich umarmen!»
    Mrs. Pearsons Umarmungen waren die Ganzkörperverschlingungen, die in Celias Familie nur bei besonders schlimmen Nachrichten zum Einsatz kamen. Selbst als Kind hatte sich Celia wohlweislich nicht dagegen gesträubt. Damals war sie auf Bauchhöhe an Djunas Mutter gepresst worden. Jetzt reichte Mrs. Pearson ihr knapp bis zur Nasenspitze.
    «Lass dich ansehen», flüsterte Djunas Mutter.
    Sie hielt Celia auf Armeslänge von sich und musterte sie von Kopf bis Fuß. Erst jetzt, nach einundzwanzig Jahren, stach Celia die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter ins Auge: die gleichen hervortretenden Augen, das gleiche spitze Kinn.
    «Willkommen in meinem Heim», sagte Mrs. Pearson.
    Von dem kleinen Wohnzimmer ging eine ebenso kleine Küche ab, durch deren offene Tür ein Tisch zu sehen war. Der Flur rechter Hand konnte nur zum Schlafzimmer führen. Die Möbel waren allesamt neu. Statt der granatapfelroten Couch stand im Wohnzimmer ein kleiner sandfarbener Zweisitzer mit einem passenden Sessel. Anstelle gerahmter Fotos zierten farbige Glasflaschen die Fensterbank.
    «Mir war natürlich klar, dass aus dir mittlerweile eine junge Frau geworden ist», sagte Mrs. Pearson, «dass du nun erwachsen bist … aber setzen wir uns doch. Erinnerst du dich noch an die Kekse, die mit dem Zimt obendrauf?»
    «Snickerdoodles», sagte Celia, und der Name übersprang die Lücke von einundzwanzig Jahren.
    «Jedes Mal, wenn du zu uns gekommen bist, hast du danach gefragt, deswegen habe ich gleich nach unserem Telefonat welche gebacken. Du gehörst hoffentlich nicht zu denen, die ständig auf Diät sind? Nötig hast du es jedenfalls nicht – aber was schwafle ich da für dummes Zeug. Ich will mich doch nicht selbst reden hören, sondern alles über dich erfahren.»
    Sie führte Celia in die Küche zu einem kleinen quadratischen Tisch, der vermutlich in seine Bestandteile zerlegt mit einem unbeschrifteten Montageplan, einem Tütchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher