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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition)
Autoren: Myla Goldberg
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muss.»
    «Entschuldige dich niemals für das, was du bist, Liebes. Aber nun sag mir, nachdem du also keine Dichterin geworden bist, was machst du denn genau?»
    «Ich arbeite als Qualitätsprüferin für den Rechnungshof von Illinois.»
    Mrs. Pearsons Gesicht war ein einziges Fragezeichen. «Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, was das ist.»
    «Das heißt, ich untersuche staatliche Einrichtungen – Kinderschutzverbände, das Dezernat für Jugendstrafvollzug, das Gesundheitsamt, die Umweltbehörde – und erstelle Berichte darüber, inwieweit sie ihre Planziele in die Tat umsetzen. Darauf basierend formuliert das Landesparlament dann Anträge zu einer effizienteren Verwirklichung der Programme. Durch höhere Zuschüsse beispielsweise oder verbesserte Gesetze.»
    «Das klingt ungeheuer nützlich», sagte Grace gedehnt.
    «Ist es auch!», sagte Celia. Sie hatte sich zurechtgelegt, welche Geschichten sie in welcher Reihenfolge erzählen wollte, doch Djunas Mutter starrte an ihr vorbei.
    «Und bist du verheiratet?», fragte sie.
    «Ich lebe mit einem Geschichtslehrer zusammen, er unterrichtet an einer öffentlichen Highschool und heißt Huck», sagte Celia. «Wir haben eine Eigentumswohnung am Logan Square und zwei Hunde namens Bella und Sylvie, und –»
    «Zwei Hunde , wie schön», sagte Mrs. Pearson. «Wie reizend. Aber Huck und du, ihr wollt doch sicherlich auch die bereicherndste Erfahrung machen, die das Leben zu bieten hat?»
    Mrs. Pearson wirkte anders als zu der Zeit, als Celia noch ein kleines Mädchen gewesen war und den Hals recken musste, um ihr ins Gesicht zu sehen; dieses Gesicht erschien ihr nun flacher.
    «Nein», sagte sie. «Vorerst nicht.»
    «Eine sehr fortschrittliche Einstellung», gurrte Mrs. Pearson. «Wie wundervoll, so jung und fortschrittlich zu sein.»
    «Mrs. Pearson», sagte Celia. «Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie wirken ein bisschen durcheinander.»
    «Durcheinander?» Djunas Mutter lächelte. «Nicht doch, mir geht’s prima ! Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich war, als ich deine Stimme am Telefon hörte. Meine Celia! Findet zu mir zurück, nach einundzwanzig Jahren! Ich habe mich so ungeheuer auf unser Gespräch gefreut. Damals habe ich mir eingeredet, du seiest so etwas wie ein schöner, leerer Glaskrug, den ich mit perlendem Wasser fülle.» Sie beugte sich über den Tisch. Celia hatte ihre Augen noch nie aus solcher Nähe gesehen; zwischen den Pupillen und der graugrünen Iris war ein Kreis aus bräunlichem Gold.
    «Ich habe mich immer mit dem Gedanken getröstet, dass du überlebt hast», wisperte Grace. «Dass aus dir etwas ganz Besonderes werden würde.»
    Ihr Gesicht hatte sich seltsam verändert, es glich einer Hand, die sich alles krallen wollte, was in Reichweite kam. Celia erkannte den grauenerregenden Ausdruck wieder, war ihm einundzwanzig Jahre zuvor am Rand einer Straße begegnet, im Gesicht eines Mädchens mit dem gleichen spitzen Kinn, in den letzten Sekunden ihrer kurzen Freundschaft.
    Mrs. Pearson saß reglos da, und Celia merkte, dass sie zu zählen begonnen hatte wie nach einem Blitz, um einzuschätzen, wie weit das Unwetter entfernt war.
    Djunas Mutter blinzelte mehrmals. Ihr Mund verzog sich zur Andeutung eines Lächelns. «Es ist so schön, dass du hergekommen bist, Celia, aber ich will dich jetzt nicht länger aufhalten. Deine Mutter hat sicherlich noch eine Menge mit dir vor. Bitte nimm doch die Kekse mit. Ich habe sie extra für dich gebacken.» Sie pustete kurz in Celias Richtung und lehnte sich dann zurück, als habe sie eine Kerzenflamme gelöscht.
    «Oh», sagte Celia und stand auf. «Danke, Mrs. … Danke, Grace.»
    «Gern geschehen. Und gib acht, wenn du auf die Straße zurücksetzt. Da herrscht zwar nicht sonderlich viel Verkehr, aber man kann ein fahrendes Auto verdammt schlecht sehen.»
    Celia durchquerte das Wohnzimmer, so schnell sie konnte. Die Stille draußen wirkte jetzt beruhigend, sie sog sie mit bedächtigen, tiefen Atemzügen in sich ein. Der Abendhimmel über den Baumwipfeln war stahlblau. Sie traf das Zündschloss nicht auf Anhieb, doch als ihre Hand nicht mehr zitterte, sprang der Motor an. Sie setzte vorsichtig zurück, wie Mrs. Pearson ihr geraten hatte, und fuhr langsam Richtung Landstraße.
    Sie drückte auf den Fensterheber und ließ sich von der Luft umtosen. Ihr Koffer war so gut wie gepackt, ihr Flugschein lag bereit. Morgen um diese Zeit würden Huck und sie wieder zu Hause sein.

    Es war warm an
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