Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht
Autoren: James Bown
Vom Netzwerk:
ihm gehabt. Aber es sah so aus, als wollte der Mann tatsächlich mit dem Stock auf uns losgehen.
    In letzter Sekunde überlegte er es sich zum Glück anders. Er schleuderte den Stock weg, beschimpfte uns dabei aber mit den wüstesten Kraftausdrücken. Dann drehte er sich um und stolperte davon. Dabei hielt er sich immer noch die schmerzende Hand.
    Auf dem Heimweg im Bus saß Bob auf meinem Schoß. Er hörte nicht auf zu schnurren und hatte seinen Kopf unter meinen Arm gekuschelt. Das tat er nur, wenn er sich verletzlich fühlte. Wir haben uns nach diesem Erlebnis wohl beide so gefühlt. Ob ich da wieder menschliche Regungen auf Bob übertrug? Wer weiß das schon.
    *
    Als Katzenbesitzer ist man einem ständigen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Wie hat es schon Sir Walter Scott so schön beschrieben: »Katzen sind mysteriöse Wesen – in ihren Köpfen geht mehr vor sich, als wir je begreifen werden.« Bob war noch einen Tick mysteriöser als andere Katzen. Das war Teil seiner Magie und machte ihn zu einem ganz besonderen Gefährten. Wir haben zusammen schon so viel erlebt, und doch schafft er es immer wieder, mich zu überraschen. Wie an diesem Abend.
    Wir haben gemeinsam über die Jahre schon so manchen Anfeindungen getrotzt, aber so einen Frontalangriff hat es noch nie gegeben. Deshalb habe ich auch noch nie erlebt, wie vehement mich Bob verteidigt. Und er hatte die Gefahr, die von dem Kerl ausging, lange vor mir erkannt und entsprechend gehandelt.
    Wieso hatte er vom ersten Moment an gespürt, dass der Kerl uns nicht wohlgesinnt war? Natürlich gab es aus der menschlichen Perspektive gewisse Anzeichen, aber woran erkannte eine Katze einen schlechten Menschen? Und warum hatte er seine Nähe gespürt, als wir die Neal Street verließen? Ich hatte keinen Verfolger bemerkt. Lag es an Bobs Argusaugen, die auch im Dunkeln gut sehen, oder hatte er ihn gerochen?
    Ich würde es nie erfahren. Tatsache war, dass Bob Fähigkeiten und Instinkte besaß, die mit dem menschlichen Verstand nicht vergleichbar waren – und das würde auch immer so bleiben.
    Es war schon irgendwie frustrierend. Man konnte so viel Spaß mit ihm haben, und im nächsten Moment war er die rätselhafte Sphinx. Ich würde wohl nie erfahren, was sich in seinem Katzenhirn abspielte, obwohl wir beste Freunde waren und uns so etwas wie Telepathie verband. Oft genug wussten wir instinktiv, was der andere gerade dachte. Aber leider reichte das nicht aus, um unsere innersten Gedanken zu teilen. Wir konnten uns nicht wirklich sagen, was wir fühlten. Auch wenn das jetzt blöd klingt, aber oft fand ich das wirklich traurig. Genau wie jetzt.
    Während ich ihn auf der Busfahrt sanft an mich drückte, hätte ich zu gerne gewusst, wie er sich bei dem Überfall in der menschenleeren Gasse gefühlt hatte. Hatte er Angst? Oder hatte er einfach nur instinktiv gehandelt? Spürte er den Drang, sich und mich zu verteidigen, oder hatte er einfach nur funktioniert? War es möglich, dass er den Zwischenfall schon wieder vergessen hatte? Oder dachte er gerade genau dasselbe wie ich? Ich habe die Schnauze voll von diesem Leben. Ich habe es einfach satt, ständig auf der Hut zu sein. Ich will in einer sicheren, guten und glücklichen Welt leben.
    Die Antwort lag auf der Hand. Natürlich würde er sich lieber nicht in dunklen Gassen mit Dreckskerlen herumschlagen. Natürlich würde er lieber im warmen Wohnzimmer vor sich hin dösen, als sich im Winter am Straßenrand die Pfoten abzufrieren. Wer wollte das nicht?
    Während sich meine Gedanken überschlugen, steckte ich meine Hand in die Manteltasche und zog einen zerknüllten Flyer heraus. Es war einer der letzten, die übrig geblieben waren. Die meisten hatte ich verteilt. Darauf war ein Foto von mir und Bob auf meiner Schulter. Der Text darunter lautete:

    Treffen Sie
    James Bowen und Kater Bob
    James Bowen signiert sein neues Buch
    A STREETCAT NAMED BOB
    In der Buchhandlung Waterstones,
    Islington Green, London
    Dienstag, 13. März 2012 um 18 Uhr

    Bob betrachtete das Blatt Papier in meiner Hand und legte den Kopf etwas schief. Ich hatte das Gefühl, dass er das Bild von uns beiden erkannte.
    Gedankenverloren starrte ich den zerknüllten Flyer lange an.
    Es war die Frage aller Fragen, die mich mal wieder beschäftigte. Ehrlich gesagt, wollte ich mich nicht mehr damit verrückt machen. Aber der heutige Abend war schuld daran, dass ich sie nicht länger verdrängen konnte. Wie oft würde ich Bob und mich in Gefahr bringen? Würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher