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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht
Autoren: James Bown
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Tier nicht kennen«, erklärte ich ihr in ruhigem, höflichem Ton. »Wie würden Sie denn reagieren, wenn ein Fremder Ihnen zur Begrüßung gleich ins Gesicht grapschen würde? Sie haben Glück, dass er Sie nicht gekratzt hat.«
    »Ich wollte ihn nicht böse machen«, jammerte sie.
    Jetzt tat sie mir leid. »Los, ihr beiden, vertragt euch«, versuchte ich zu vermitteln. Aber Bob hatte keine Lust. Er stellte sich stur. Erst nach einem Versöhnungs-Leckerchen erlaubte er ihr gnädig, ihm sanft über den Nacken zu streicheln. Die russische Frau hörte nicht mehr auf, sich zu entschuldigen, und wollte uns einfach nicht weitergehen lassen.
    »Es tut mir so leid, so sehr leid«, wiederholte sie ständig.
    »Kein Problem«, versicherte ich ihr wiederholt. Ich wollte einfach nur weiter.
    Als wir uns endlich losgeeist hatten und an der U-Bahn-Station ankamen, legte ich, wie üblich, meinen Rucksack für Bob als weiche Unterlage auf den Boden und drapierte die Zeitschriften, die ich am Vortag von unserem Big Issue -Großhändler erstanden hatte, um ihn herum. Mein Ziel war es, an diesem Tag mindestens zwei Dutzend Magazine zu verkaufen, denn wie üblich waren wir mal wieder pleite.
    Aber an diesem Tag hatte sich alles gegen mich verschworen, sogar das Wetter.
    Seit dem späten Vormittag hingen unheilvolle, stahlgraue Wolkenbänke über der Stadt. Noch bevor ich die erste Zeitung verkauft hatte, platzten sie auf, und ich musste mit Bob in eine nahegelegene Unterführung zwischen einer Bank und einem Bürogebäude flüchten.
    Bob ist wirklich sehr belastbar, aber er hasst Regen. Vor allem, wenn es dabei so eiskalt ist wie an diesem Tag. Er scheint bei Regen regelrecht zu schrumpfen. Sein Fell, das sonst hell wie Orangenmarmelade leuchtet, bekommt einen traurigen Graustich. Kein Wunder, dass weniger Leute als sonst seinetwegen stehen blieben. In Folge verkaufte ich auch weniger Zeitschriften.
    Den ganzen Tag wollte es einfach nicht mehr aufhören zu regnen. Bob hatte keine Lust mehr, bei diesem Wetter noch länger auf der Straße herumzuhängen. Er bombardierte mich mit vernichtenden Blicken und rollte sich ein wie ein rotpelziger Igel. Natürlich verstand ich seinen Groll, aber ich musste an unsere finanzielle Misere denken. Das Wochenende stand vor der Tür und ich brauchte Geld, um uns bis Montag mit Lebensmitteln und Katzenfutter zu versorgen. Aber mein Stapel an Zeitschriften wurde einfach nicht kleiner.
    Die Krönung dieses verhexten Tages war ein junger Polizist, der am Nachmittag auftauchte und ganz offensichtlich ein Opfer für seine schlechte Laune suchte. Das passierte mir zwar immer wieder, aber genau an diesem Tag konnte ich die erzwungene Verkaufspause gar nicht gebrauchen. Ich kannte das Gesetz. Ich war berechtigt, hier meine Zeitschriften zu verkaufen. Mein Verkäuferausweis war der Beweis dafür, und solange ich kein öffentliches Ärgernis erregte, durfte ich mich hier aufhalten. Vom Morgengrauen bis zum Abendrot. Dummerweise war ihm auch noch langweilig, und so bestand er darauf, mich zu durchsuchen. Keine Ahnung, was er gerne bei mir gefunden hätte, wahrscheinlich Drogen oder eine gefährliche Schusswaffe, aber diesen Gefallen konnte ich ihm leider nicht tun.
    Er war sichtlich enttäuscht, aber anstatt mich endlich in Ruhe zu lassen und weiterzugehen, fing er an, mich über Bob auszuquetschen. Ich erklärte ihm, dass mein Kater ordnungsgemäß registriert und gechippt war. Damit konnte ich ihm zwar auch keine Freude machen, aber er zog endlich Leine – mit einer Miene, die fast so grimmig war wie das Wetter an diesem Tag.

    Ich hielt noch ein paar Stunden durch, aber nach Büroschluss am frühen Abend, als auch die Angestellten nach Hause geflüchtet waren, gab ich auf. Die Straßen füllten sich mit Pub-Besuchern und randalierenden Jugendlichen.
    Ich fühlte mich ausgelaugt und leer: Ich hatte mit Mühe und Not zehn Zeitungen verkauft und nur einen Bruchteil von unserem üblichen Tagessatz eingenommen. Ich habe lange genug von Dosenbohnen zum Sonderpreis und Brot vom Vortag gelebt, um zu wissen, dass ich nicht verhungern würde. Ich hatte noch genug Geld für zwei Dosen Katzenfutter und zum Auffüllen der Gas- und Stromuhren. Aber ich würde am Wochenende arbeiten müssen, um meinen Vorrat an Zeitschriften vor dem Montag loszuwerden. Das hätte ich mir gern erspart, denn der Wetterbericht hatte weiterhin Regen angekündigt, und ich war müde und erschöpft.
    Auf der Heimfahrt im Bus wurden mir die Glieder
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