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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht
Autoren: James Bown
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dass ich gar nicht mehr wusste, wohin damit – mindestens zwei Dutzend. Er war auf dem besten Weg, für seine Schalsammlung so berühmt zu werden wie Imelda Marcos für ihre Schuhe.
    Manchmal war all die Liebe, Zuneigung und Unterstützung, die man uns entgegenbrachte, wirklich überwältigend. Wachsam blieb ich trotzdem, denn Neider würde es immer geben. Man musste immer auf der Hut sein.

    Wie an jedem Freitag kurz vor Feierabend bereitete ich mich auf die heißeste Verkaufsphase der Woche vor. Die Masse der Pendler, die an den Eingängen des U-Bahnhofes hinein und hinaus drängten, wurde von Minute zu Minute dichter. Während ich auf der Straße herumtigerte, um The Big Issue anzupreisen, scherte sich Bob keinen Deut um die wogende Menschenmenge um ihn herum. Er lag bewegungslos und entspannt auf meinem Rucksack. Nur seine Schwanzspitze bewegte sich wie in Zeitlupe mal nach rechts, mal nach links.
    Erst als der Andrang gegen 19 Uhr etwas nachließ, bemerkte ich die Frau, die neben uns stehen geblieben war. Keine Ahnung, wie lange sie schon da stand, jedenfalls starrte sie mit einem geradezu besessenen Blick unentwegt auf Bob. Sie murmelte Unverständliches vor sich hin und schüttelte immer wieder den Kopf, als wäre sie mit meiner Arbeit unzufrieden. Ich hatte keine Lust, mich mit ihr auseinanderzusetzen. Es war viel wichtiger, noch die letzten Exemplare unserer Wochenzeitschrift loszuwerden.
    Aber sie sah das leider anders.
    »Junger Mann! Sehen sie nicht, dass Ihre Katze leidet?«, sprach sie mich an.
    Dem Aussehen nach hätte sie Lehrerin oder Schuldirektorin auf einer elitären Privatschule sein können. Sie war um die vierzig, sprach dieses nasale, überbetonte Englisch und trug ein zerknittertes Tweedkostüm, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. Aber mit ihrem unhöflichen Auftreten hätte sie wohl kein Bewerbungsgespräch überstanden. Obwohl sie mich gar nicht kannte, blaffte sie mich so unverschämt und in aggressivem Ton an, dass ich sie nur ignorieren konnte. Mir war sofort klar, dass ich eine Unruhestifterin vor mir hatte. Aber sie ließ nicht locker.
    »Ich beobachte Sie jetzt schon eine ganze Weile, und Ihre Katze schlägt mit dem Schwanz. Wissen Sie, was das heißt?«, keifte sie giftig.
    Ich zuckte nur mit den Schultern. Mir war klar, dass sie ihre Frage selbst beantworten würde.
    »Es heißt, dass sie sich nicht wohlfühlt. Sie beuten dieses Tier aus und sind ein schlechter Katzenvater.«
    Seit Bob und ich zusammen auf der Straße arbeiteten, muss ich mir solche Vorwürfe immer wieder anhören. Aber ich bin ein höflicher Mensch, und so begann ich mich zu verteidigen, anstatt ihr zu sagen, sie solle sich um ihre eigenen Probleme kümmern.
    »Diese Art der Schwanzbewegung heißt, dass er sich wohlfühlt. Wenn er nicht hier sein wollte, Gnädigste, dann könnte ich ihn nicht aufhalten. Er ist eine Katze. Und Katzen entscheiden selbst, bei wem sie leben wollen. Er könnte jederzeit gehen, er ist kein Gefangener!«
    »Und warum hängt er dann an der Leine?«, trumpfte sie mit selbstgefälliger Miene auf.
    »Die trägt er nur zu seinem Schutz, hier und wenn wir in der Stadt unterwegs sind. Er ist nämlich schon mal vor Schreck weggelaufen und war total verängstigt, weil er mich nicht wiederfand. Er läuft frei herum, wenn er mal muss. Also, wenn er ihrer Meinung nach bei mir so unglücklich ist, wäre er doch spätestens dann über alle Berge, meinen Sie nicht?«
    Ich hatte diese Diskussion schon hundert Mal geführt und wusste, dass meine Argumente 99 Prozent meiner Widersacher besänftigten. Aber diese Person gehörte zu dem leidigen einen Prozent, das mir niemals glauben würde. Sie war eine von diesen selbstgefälligen, rechthaberischen Menschen, für die nur die eigene Meinung zählt. Alle anderen hatten unrecht, und wehe, man war so unverschämt, ihre Meinung nicht zu teilen.
    »Nein, nein, nein! Es ist allgemein bekannt, dass ein Schwanzwedeln bei Katzen ein Zeichen von Unmut ist«, regte sie sich weiter auf. Ihr Gesicht war inzwischen rot angelaufen. Sie fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und umkreiste uns bedrohlich.
    Bob beäugte sie misstrauisch; er begriff schnell, wenn es ungemütlich wurde. Jetzt erhob er sich und tastete sich in geduckter Haltung im Rückwärtsgang an mich heran, bis er zwischen meinen Beinen stand. Er war in Alarmbereitschaft und bereit, auf meine Schulter zu flüchten, sollten sich die Dinge weiter zuspitzen.
    Inzwischen waren ein paar Neugierige
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