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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht
Autoren: James Bown
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schwer, ein sicheres Zeichen für eine Grippe im Anmarsch. Mir tat alles weh und ich hatte Hitzewallungen. Na toll, das fehlt mir gerade noch , dachte ich und kuschelte mich tiefer in meinen Sitz, um ein kleines Nickerchen zu halten.
    Der Himmel war inzwischen tintenschwarz, sodass man die Straßenlampen früher eingeschaltet hatte. Bob fand das hell erleuchtete London bei Nacht immer faszinierend. Während ich abwechselnd einnickte und wieder hochschreckte, starrte er wie gebannt aus dem Fenster.
    Der Verkehr zurück nach Tottenham war genauso schlimm wie am Morgen auf dem Weg in die Stadt. Der Bus bewegte sich im Schneckentempo vorwärts. Kurz nach der Haltestelle Newington Green war ich fest eingeschlafen.
    Ein leichtes Tappen auf meinem Oberschenkel und das Kitzeln von Schnurrhaaren auf meiner Wange holten mich aus dem Tiefschlaf. Als ich die Augen öffnete, schwebten Bobs Nase samt riesengroßer Katzenaugen genau vor meinem Gesicht, während er mit seinen Vorderpfoten mein Knie bearbeitete.
    »Was ist?«, nuschelte ich leicht genervt.
    Bob legte den Kopf schief, als deute er Richtung Ausstieg. Dann sprang er von seinem Sitz und lief den Mittelgang entlang, wobei er mir über seine Schulter wiederholt beunruhigte Blicke zuwarf.
    »Wo willst du hin?«, wollte ich ihm gerade nachrufen, als mein Blick das Fenster streifte.
    »Oh, Mist«, fluchte ich, als ich sah, wo wir waren. Wie von der Tarantel gestochen, schoss ich hoch, schnappte meinen Rucksack und konnte gerade noch rechtzeitig den Halteknopf drücken. Ohne meinen kleinen Nachtwächter hätten wir auch noch unsere Haltestelle verpasst.
    Auf dem Heimweg vom Bus holte ich mir in der Apotheke noch ein paar billige Grippetabletten. Im nächsten Laden kaufte ich ein paar Snacks für Bob und einen Beutel seiner Lieblingssorte, Hühnchen in Soße. Irgendwie musste ich mich ja bei ihm entschuldigen und bedanken. Wir hatten einen grauenhaften Tag hinter uns und Grund genug für eine Runde Selbstmitleid. Aber als ich zu Hause in meiner kleinen, warmen Wohnung Bob zusah, wie er mit Hingabe sein Futter verschlang, wurde mir klar, dass es nichts zu jammern gab. Hätte ich unsere Bushaltestelle verschlafen, wären wir jetzt immer noch da draußen. Der Wind trieb den Regen vor sich her und klatschte ihn gegen unsere Fenster. Ich hätte mir wahrscheinlich eine Lungenentzündung einfangen statt der leichten Grippe.
    So gesehen, war ich doch gut davongekommen und ein wahrer Glückspilz. Die Sichtweise ist entscheidend, frei nach dem alten Sprichwort: Es ist schöner, sich an Dingen zu erfreuen, die man erreicht hat, als über alles zu jammern, was man nicht besitzt.
    Nach dem Abendessen machte ich es mir mit einer warmen Decke auf der Couch gemütlich. Dazu gab es einen Grog aus Honig, Zitrone, heißem Wasser und einen Schuss Whiskey aus einer Miniflasche, die schon lange in der Küche herumgelegen hatte. Mein Blick fiel auf Bob, der zufrieden zusammengerollt in seinem Körbchen neben der Heizung schlummerte. Die Widrigkeiten des Tages hatte er längst abgehakt. In diesem Moment hätte er nicht glücklicher sein können. Ich nahm mir vor, die Welt in Zukunft verstärkt mit seinen Augen zu betrachten. Schließlich gab es inzwischen so vieles in meinem Leben, woran ich mich erfreuen konnte.

    Vor etwa zwei Jahren hatte ich Bob verletzt im Erdgeschoss meines Mietshauses gefunden. Als ich ihn im düsteren Hausflur entdeckte, sah er ziemlich mitgenommen aus. Seinen Kampfspuren nach zu urteilen, war er von einem anderen Tier angegriffen und verletzt worden.
    Anfangs dachte ich noch, er gehöre irgendwelchen Nachbarn, aber da er mehrere Tage an der gleichen Stelle hockte, nahm ich ihn mit nach oben in meine Wohnung und pflegte ihn gesund. Für seine Medizin legte ich mein letztes Geld auf den Tisch, aber das war er mir wert. Es war schön, ihn um mich zu haben, und wir hatten gleich eine starke Bindung zueinander.
    Damals hielt ich das Ganze noch für eine kurzfristige Zweckgemeinschaft. Er war ganz offensichtlich ein Streuner, und ich ging davon aus, dass er sich aus dem Staub machen würde, sobald es ihm besser ginge. Aber da hatte ich mich getäuscht. Er wich mir nicht mehr von der Seite. Als es ihm besser ging, nahm ich ihn jeden Tag mit nach draußen, um ihm seine Freiheit zurückzugeben. Und jeden Tag lief er mir nach, wenn ich zur Arbeit ging. Abends tauchte er spätestens im Hausflur wieder auf, um die Nacht bei mir zu verbringen. Es heißt, Katzen suchen sich ihren Menschen
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