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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind
Autoren: Jakob Melander
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und zündete sich die Zigarette an. Er hatte tatsächlich nichts zu sagen.
    Ulrik setzte die Mütze ab, trocknete sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ich übernehme den Mordfall.« Er setzte die Mütze wieder auf. »Im Juliane Marie Centret liegt das Opfer einer Vergewaltigung. Sie wurde gestern Nacht zusammengeschlagen und vergewaltigt. Das übernimmst du. Du hast Kim A ., Frank Wredt, Lisa Bak und Toke. Sanne und Allan bleiben bei mir.« Ulriks Augen glühten unter der Uniformmütze. »Soweit ich verstanden habe, warst du ja ohnehin nicht sonderlich begeistert, eine neue Partnerin zu bekommen.«
    Mist. Ausgerechnet Kim A . Lars füllte die Lunge mit dem letzten Zug und trat die Kippe mit einer Drehung seines Absatzes aus.
    Sanne sah ihn gekränkt an und folgte Ulrik ins Rechtsmedizinische Institut.

6
    Aufgang 5, 3. Etage. Juliane Marie Centret, die Station des Rigshospital für sexuelle Übergriffe. Lars stieg aus dem Aufzug und ließ den Blick über die Schilder gleiten, die von der Decke des breiten Korridors hingen. Abteilung 5032 lag rechts in Richtung Tagensvej. Die Idee des Nummernsystems im Rigshospital war im Grunde bestrickend einfach, allerdings hatte sich in der Praxis herausgestellt, dass es nicht ganz so leicht zu entschlüsseln war, wie man es sich damals in den siebziger Jahren vorgestellt hatte, als das Krankenhaus gebaut wurde.
    Lars bog in den rechten Flur ein und ging die fünfzehn Schritte bis zur Aufnahme. Zeigte seine Polizeimarke.
    »Lars Winkler, Abteilung für Gewaltverbrechen. Heute Nacht wurde ein Vergewaltigungsopfer eingeliefert?«
    Die Krankenschwester betrachtete seine Marke, nickte.
    »Heute Morgen, sehr früh. Ich hole einen Arzt.« Er hörte nicht, was sie am Telefon sagte, aber in weniger als einer Minute kam eine Ärztin aus der entgegengesetzten Richtung. Sie war untersetzt, nicht besonders groß, trug eine Pagenfrisur von unbestimmbarer Haarfarbe und hatte scharfe graue Augen hinter einer roten Designerbrille. Er stellte sich vor, zeigte noch einmal seine Marke.
    »Christine Fogh«, sagte sie. »Kommen Sie.«
    Sie ging voraus und führte ihn in ein Büro, aus dessen Fenstern man auf die massive betongraue Säulengalerie des Panum-Instituts auf der anderen Seite des Tagensvej sehen konnte. Die Baumkronen des Amorparks – welch ein Name – versuchten, die Aussicht ein wenig gefälliger zu gestalten. Die Ärztin setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischstuhls, die Hände zwischen den gespreizten Beinen, abwartend. Sie forderte ihn nicht auf, sich zu setzen.
    Es war schwül in dem kleinen Büro. Lars sah sich um und setzte sich auf den einzigen anderen Stuhl im Zimmer, der an der Wand gegenüber dem Fenster stand. Er zog seinen Notizblock und einen Stift aus der Tasche. Im Nacken und unter den Achseln begann er zu schwitzen.
    »Mir wurde der Fall vor zehn Minuten übertragen, ich kenne noch nicht einmal den Namen des Opfers. Können Sie mir Details nennen?«
    »Details?« Sie wandte den Kopf ab, sah aus dem Fenster.
    »Wer ist sie, wo ist es passiert, wann?« Er versuchte zu lächeln. Sie nahm die Brille ab und legte sie auf den Schreibtisch, die Bügel auf ihn gerichtet.
    »Wissen Sie, wie viele sexuelle Übergriffe jährlich in Dänemark angezeigt werden?«
    »Ich habe die exakte Zahl nicht im Kopf, aber ich meine, es sind über dreihundert.«
    »Fünfhundert. Ungefähr zwei am Tag.«
    Lars antwortete nicht, er betrachtete sie. Ihr Gesicht glühte im Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel. Dann wandte sie sich ihm wieder zu.
    »Und in nur einhundert Fällen kommt es zu einem Urteil.«
    Er versuchte, eine Antwort zu formulieren. Dass häufig Aussage gegen Aussage stand, dass die Zahl auch falsche Anzeigen mit einbezog, aber sie unterbrach ihn in dem Moment, als er den Mund öffnete.
    »Dazu kommen die Fälle, die nie angezeigt werden. Aber Stine Bang …« Sie erhob sich. »Folgen Sie mir.«
    Lars stand ebenfalls auf, verließ hinter Christine Fogh das kleine Büro und trat in den Flur.
    »Sie war auf dem Weg nach Hause, vom Nørreport zur Trondhjemsgade, es war ungefähr 02:40. Sie fährt mit dem Fahrrad, hat aber an der Øster Voldgade einen Platten, gleich hinter Nørreport. Sie schiebt. An der Sølvgade merkt sie, dass ihr jemand folgt, sie geht schneller.« Christine Foghs Tritte hallten durch den Korridor, auch ihre Geschichte erzählte sie mehr und mehr im Stakkato. »Hinter dem Statens Museum for Kunst packt er sie, schlägt ihr auf den Kopf und zwingt sie über die
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