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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind
Autoren: Jakob Melander
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Straße in die Østre Anlæg.« Plötzlich blieb die Ärztin stehen und senkte die Stimme. »Er zieht sie den Wall hinauf, Schläge und Tritte prasseln auf sie nieder. Sie schreit, aber wer sollte sie hören? Oben auf der Kuppe schlägt er sie weiter und reißt ihr die Kleider vom Leib, während er sie vor sich herstößt. Und dort oben – vor dem Dänemarkdenkmal – vergewaltigt er sie anal. Er hat ihr den Kiefer und drei Rippen gebrochen, sie hat diverse innere Blutungen, Läsionen und Wunden am ganzen Körper, außerdem eine ernsthafte Gehirnerschütterung. Wir haben mit einer vorbeugenden HIV -Behandlung begonnen.« Christine Fogh ging auf die Tür eines Zimmers zu, das auf der anderen Seite des Korridors lag, und griff nach der Klinke. Dann senkte sie erneut ihre Stimme und blickte ihm in die Augen. »Ach, ja. Es fehlten nur wenige Millimeter, und ihr Schließmuskel wäre vollkommen zerfetzt gewesen. War das die Art von Details, die Sie meinten?«
    Lars schluckte und folgte ihr ins Krankenzimmer.
    Das Kopfende des Betts, in dem Stine Bang lag, war leicht angehoben. Ihren Kopf hatte man nahezu vollständig mit Gaze umwickelt, der sichtbare Teil ihres Gesichts war blauschwarz und geschwollen. Der Bereich um die geschlossenen Augen war blutunterlaufen, die Nase schief. Im Unterkiefer fehlten ihr zwei Zähne. Das Kardiogramm neben dem Bett zeigte monotone, regelmäßige Ausschläge.
    Lars trat einen Schritt vor und wollte etwas sagen, als Christine ihn am Arm fasste.
    »Pst, sie schläft. Wecken Sie sie nicht.« Sie zog ihn aus dem Zimmer. »Ich wollte nur, dass Sie sie sehen. Kommen Sie. Wir können uns in meinem Büro unterhalten.«
    In ihrem Büro nahmen beide wieder ihre Plätze ein. Er ließ den Notizblock in der Tasche. Die Ärztin räusperte sich. Sie nahm die Brille ab, senkte den Blick.
    »Es tut mir leid, wenn ich vorhin aggressiv gewirkt habe. Aber so …« Sie brach den Satz ab.
    Lars nickte.
    »Ich habe selbst eine Tochter, sie ist sechzehn …« Er machte eine Pause. »Und wenn es Sie beruhigt, ich glaube nicht, dass Stine das Problem haben wird, nicht ernst genommen zu werden. Weder von der Polizei noch vom Staatsanwalt oder dem Gericht.«
    Christine betrachtete ihn von der anderen Seite des Schreibtischs.
    »Wann, glauben Sie, wird sie in der Lage sein, mit uns zu reden?«, fügte er hinzu.
    »Das wird ein paar Tage dauern. Dienstag, vielleicht Mittwoch.«
    »Hat sie den Täter beschrieben? Wer hat sie gebracht?«
    »Ein älteres Ehepaar aus der Stockholmsgade, die heute Morgen gegen 06:30 Uhr mit ihrem Hund Gassi gegangen sind. Sie haben sie halb bewusstlos und unterkühlt am Fuß des Denkmals gefunden.«
    »Dann hat sie also drei bis vier Stunden dort gelegen?«
    »Ihre Körpertemperatur war auf fünfunddreißig Grad abgesunken. Wir müssen damit rechnen, dass sie sich zusätzlich noch eine Lungenentzündung holt. Was den Täter betrifft, hat sie ihn nur flüchtig gesehen. Schwarze Kleidung, eine schwarze Skimütze mit Augenlöchern. Sein Dänisch war fehlerfrei. Ach, warten Sie. Hier.« Sie schob ihm ein gelbes Post-it über den Schreibtisch. »Das ist die Nummer ihrer Freundin.«
    Lars sah auf den Zettel. Astrid stand dort und eine Nummer in Nørrebro.
    »Will sie Anzeige erstatten?«
    Christine nickte.
    »Selbstverständlich. Trotz der Statistik.« Lars spürte, dass er rot wurde. »Ich kenne das normale Bild der Polizei von einem Vergewaltiger genau: ein sozialer Außenseiter ohne Freunde, ein Prolet. Aber wie wollen Sie dann erklären, dass zwei von drei Opfern denjenigen kennen, der sie überfällt?«
    Lars räusperte sich. Sie traf damit einen wunden Punkt. Christine hob eine Hand, um seinen Widerspruch abzuwehren. »Aber in diesem Fall glaube ich fast, dass ihr Recht habt. Das war wohl kaum jemand, den sie kannte.« Sie blätterte in einem Stapel Papier auf ihrem Schreibtisch. »Hier. Wir haben eine Untersuchung zur Spurensicherung vorgenommen. Es gibt Proben vom Sperma und vom Speichel des Täters. Das Labor hat uns für Ende nächster Woche ein DNA -Profil versprochen.«
    »Keine Fingerabdrücke?«
    Christine schüttelte den Kopf. Er reichte ihr seine Karte.
    »Das Problem bei diesen Fällen … ja, aber das kennen Sie ja.«
    »So ist es. Ohne vorhergehenden Kontakt zwischen Opfer und Täter ist es häufig der Zufall, der einen Fall klärt. Manchmal Jahre später. Wenn er überhaupt aufgeklärt wird.«
    Lars erhob sich. Jahre später. Wenn. Ganz genau. Danke, Ulrik!
    Sie gaben sich
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